Der Normannische Palast ist eine Wucht
Erst ein wenig zur Geschichte und warum die Normannen in Palermo einen Palast bauten.
Unter arabischer Herrschaft entstand am Ufer der Flüsse Kemonia und Papiretus eine Burg, die als militärische Festung diente.
Von 1061 bis 1071 wurde Sizilien im Auftrag des Papstes von normannischen Söldnern erobert. Genau zu dieser Zeit erschienen nämlich die Normannen Robert Guiscard und sein jüngerer Bruder Roger mit der Absicht, die Insel zu erobern. Der Papst hatte Robert dazu angehalten, Sizilien von den Sarazenen zu befreien und verlieh ihm den Titel eines Herzogs von Sizilien.
Die Normannen hatten sich erst in Frankreich niedergelassen und gehörten dort schnell zum Feudalsystem. Sie werden zu kleinen Adligen, die Land bestellen und Dorfgemeinschaften gründen.
Dann aber wird der Bevölkerungsdruck zu groß und die oft zahlreichen Söhne der Normannen machen sich wieder auf die Suche nach Gebieten, die sie überfallen können.
Einer jener Normannen ist Tankred d’Hauteville. Er hat zwölf Söhne, zu viel, um sein Land vernünftig aufzuteilen. Drei der älteren Söhne wollen sich selber Land erobern.
Sie landen in Süditalien, nehmen ein paar Landstriche in Besitz und sind seitdem Grafen. Ihnen folgt bald der vierte Bruder, Robert Guiskard, der nach dem frühen Tod seiner älteren Brüder alleine als Herzog über ganz Kalabrien und Apulien herrscht.
Auch sein jüngster Bruder Roger kommt bald nach Italien. Doch für die beiden ehrgeizigen Männer ist nicht genug Platz in Süditalien. Da kommt die Nachricht vom Papst und den zerstrittenen Arabern auf Sizilien gerade Recht.
Sie kamen aus dem hohen Norden, waren als Raufbolde verschrien, machten aber Sizilien zu einem blühenden Königreich, das im europäischen Mittelalter seinesgleichen suchte. In nur vier Generationen wurde durch sie Sizilien zur reichsten Region Europas und trieb Handel, Wissenschaften und Architektur zu ungeahnter Blüte. Als die Normannen nach gut 100 Jahren von der Bildfläche verschwanden, sollten sie die letzten Herrscher gewesen sein, die der Insel Wohlstand und Reichtum brachten.
Also noch einmal zum Papst. Dem gefiel nämlich nicht, dass Sizilien zu dieser Zeit arabisch war. Außerdem meinte er ernsthafterweise, Sizilien sei sein Eigentum.
Der Papst bezog sich dabei auf die Konstantinische Schenkung, die – wie wir heute wissen – größte Fälschung der Geschichte. Die Normannen erhielten zur Belohnung Sizilien als Lehen (also sozusagen als Leihgabe) und ihr Chef wurde zum König von Sizilien ernannt. Besser gesagt: Robert schenkt die Insel kurzerhand seinem jüngeren Bruder Roger, der seit einiger Zeit den Süden Italiens – und damit Roberts Reich unsicher macht. Roger II. baute sich das ehemals arabische Gebäude zu seinem Palast um – den Normannen-Palast. 1072 begannen dieser Wiederaufbau und die Erweiterung des Palasts.
Roger II. von Hauteville (* 22. Dezember 1095 in Mileto; † 26. Februar 1154 im Dom von Palermo) erbte 1101 von Roger I Sizilien, das seine Mutter 12 Jahre für ihn verwaltete. Außerdem erbte er von seinen normannischen Verwandten in den 1120er Jahren ganz Süditalien, bis hin zu den päpstlichen Besitzungen. Mit denen hatte er auch oft Streit. Unter Innozenz II. nutzte er eine Glaubensspaltung für seine Zwecke aus und verbündete sich mit dem Gegenpapst Anaklet II. und ließ sich Weihnachten 1130 auf dem Höhepunkt seiner Macht in Palermo zum König von Sizilien, Apulien und Kalabrien krönen.
Nach Krönung Rogers II. von Hauteville wurde 1130 die Festung nach und nach in einen königlichen Palast umgebaut und war dadurch das Zentrum der Macht. Nach militärischen Auseinandersetzungen mit Innozenz II. nahm er den Papst sogar 1139 gefangen und dieser musste Rogers Königswürde anerkennen.
Der Normannenpalast besaß Werkstätten und eine Weberei, in denen kunsthandwerkliche Erzeugnisse entstanden.
Roger II engagierte sich stark in der Kreuzzugsbewegung und hatte sogar Besitzungen in Nordafrika, was den durch ihn forcierten Handel begünstigte. Nachdem er 1146 Tunis eroberte war er der bedeutentste Herrscher am Mittelmeer. Er galt sogar als reichster Herrscher Europas. Sizilien erlebte einen Aufschwung wie nie wieder in späteren Jahren.
Die Cappella Palatina (Palastkapelle) wurde 1132 bis 1140 n. Chr. unter König Roger II. im normannisch-arabisch-byzantinischen Stil als Hofkapelle des Palazzo Reale von Palermo errichtet.
Die Weihe fand nach einer Inschrift in der Kuppel 1143 statt. Sie birgt alle Kulturen in sich. Man sieht kufische Inschriften, das ist eine der ältesten kalligraphischen Formen der arabischen Schrift, biblische Heilsgeschichten, arabische Ornamente und byzantinische Mosaikkunst. Roger II hat also das Beste aus den Kulturen zusammengeführt.
Man kann daraus schließen, dass Rogers II. und später auch Wilhelms I. und Wilhelms II. das Zusammenleben grundverschiedener Kulturen förderten, die sich dann gegenseitig befruchteten.
Roger II. war dreimal verheiratet und hatte zwei Töchter und vier Söhne. Die drei ältesten Söhne starben aber schon vor ihrem Vater. Dadurch wurde Wilhelm I. (* 1122 – † 7. Mai 1166 in Palermo) ab Ostern 1151 Mitregent und dann im Februar 1154 der Nachfolger als König von Sizilien und regierte bis zu seinem Tode 1166. Er wurde auch Wilhelm der Böse genannt. Er zeigte jedoch weniger Interesse an den Staatsgeschäften als sein Vater und überließ Entscheidungen seinen Ministern. Lieber feierte er und lebte in überschwänglichen Luxus. Auch konnte er den Kleinadel nicht im Griff behalten. Er verlor die nordafrikanischen Gebiete und schränkte auch die religiöse Toleranz, die unter Roger II großgeschrieben wurde, ein, indem er Araber vertrieb und ihren Besitz konfiszierte.
Im folgte Wilhelm II. (* um 1153 – † 18. November 1189 in Palermo) auch Wilhelm der Gute genannt. Er regierte von 1166 (da war er erst 13 Jahre, also eigentlich regierte seine Mutter Margarete mit Beratern. Das nannte man „una cum matre“ – gemeinsam mit der Mutter), selbst regierte er dann ab 1171 als 18-jähriger bis 1189 als normannischer König von Sizilien. Er verliert weiter Macht an den Adel und auch die Erzbischöfe. Er ist der erste Normanne, der mit Sizilien Schulden macht, weil auch der florierende Handel stagniert. Er stirbt kinderlos.
Nach seinem Tode dauerte es 5 Jahre, bis Kaiser Heinrich der VI sich mit seinem Anspruch auf die Herrschaftsnachfolge durchsetzte. Die Sizilianer wollten eigentlich keine deutsche Nachfolge, mussten dann aber akzeptieren, dass das Königreich Sizilien auf die Staufer überging. Denn Heinrich VI. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches hatte 1186 die Tochter von Roger II. geheiratet, die nach dem Tode Rogers geboren wurde.
1194 war es mit der Herrschaft der Normannen also vorbei, die Staufer übernahmen. Heinrich VI (* November 1165 – † 28. September 1197) war bis zu seinem Tod zugleich König von Sizilien und danach sein Sohn. Friedrich II. (* 26.Dezember 1194 – † 13.Dezember 1250). Nach Friedrich II. verfiel der Palast.
Bis er dank der spanischen Vizekönige in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, so ab 1555 eine neue Blüte erlebte, weil sie ihn als Residenz ausbauten. Neue Architekturelemente kamen hinzu, so der Brunnenhof und der Maqueda-Innenhof. Die sizilianischen Bourbonenkönige modernisierten schließlich den gesamten Palast und ließen z.B. den Herkulessaal neu gestalten. In ihm tagt heute die Sizilianische Regionalversammlung (Regionalparlament).
Der Normannen Palast wechselte danach häufig Eigentümer, Nutzungszweck und Baustil. Für architektonische Puristen ist das Gebäude also ein Graus. So erwähnt z.B. Goethe, der während seiner „italienischen Reise“ gut zwei Wochen in Palermo verbrachte, den Normannen-Palast mit keinem Wort.
Der Fußboden ist mit kunstvollem Marmor und Porphyr geschmückt. Die Decke aus Holz ist reich mit arabischer Schnitzkunst verziert. Gestützt wird diese von massiven Marmorsäulen mit korinthischen Kapitellen. Der Höhepunkt sind aber wohl die Mosaike an den Wänden und in der Kuppel. Während sich in der Kuppel acht Engel um Christus als Pantokrator reihen, sind an den Seitenwänden Darstellungen des Lebens Christi und Paulus, sowie Episoden aus dem Alten Testament. Die Mosaike sind aus farbigem und mit Blattgold verziertem Glas.
Wie oben schon geschrieben, werden in der Cappella Palatina viele verschiedene Kulturen vereint. Wo findet man schon eine katholische Kathedrale, an der die erste Seite des Korans in die Fassade gemeißelt ist. Christentum und Islam ist hier ganz nah beisammen. In Apsis, Kuppel und an Wänden der „Cappella“ sind lückenlos byzantinische Bildmosaike angebracht.
Die Mosaiken der Kirche zeigen Christus als „Pantokrator“, also Allherrscher der Welt, während die islamischen Malereien irdische Freuden darstellen. Z. B. sitzt ein König auf einem Kissen, einen Rotwein in der Hand und zwei Diener hinter sich, die immer Nachschenken.