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Osnabrücker Geschichte: Westfälischer Frieden

Westfälischer Friede – Osnabrück Friedensstadt – Friedensreiter, wie hängt das zusammen?

Die Türklinke am Rathaus von vorn

Verzeihen Sie mir, aber ganz ohne einen kleinen geschichtlichen Überblick geht es nicht. Ich fasse mich aber auch so kurz wie nötig.

Der westfälische Friedenskongress handelte nicht nur den Frieden des Dreißigjährigen Krieges aus, sondern auch den Separatfrieden zwischen den Niederlanden und Spanien.

Der Dreißigjährige Krieg galt als größte Katastrophe Deutschlands vor den beiden Weltkriegen. Den Anfang nahm er mit dem Böhmischen Aufstand im Jahre 1618. Und zwar rebellierte der Adel gegen die Habsburger. Denn im Jahre 1609 hatte Rudolf II ein Dekret erlassen, dass den böhmischen Ständen die Religionsfreiheit verbriefte. Das war wichtig, konnten doch bisher die Landesherren den Glauben vorgeben und mit Zwangsmaßnahmen auf die Einhaltung pochen. Das war als Dank gedacht, weil man ihn Rudolf II im Kampf gegen Erzherzog Matthias unterstützt hatte. So weit so gut. Problem nur: Erzherzog Matthias wurde 1611 zum König von Böhmen gekrönt und als Rudolf ein Jahr später verstarb auch zum Kaiser. 1615 dann zerstritten sich die protestantischen Niederlande mit dem katholischen Spanien, es kam zum Krieg. Zeitgleich erkrankte Erzherzog Matthias und Erzherzog Ferdinand, ein Habsburger wurde 1617 zum König gewählt, weil Philipp III. von Spanien verzichtete.

Ölgemälde des Prager Fenstersturzes von Karel Svoboda (1844)
(Dieses Bild ist gemeinfrei und nicht urheberrechtlich geschützt)

Ferdinand ein Erzkatholik setzte sofort „Katholisierungsmaßnahmen“ in Böhmen durch und beschnitt damit die Stände. Im selben Jahr schloss die Katholische Liga in Braunau eine evangelische Kirche und riss auf erzbischöflichen Ländereien eine nichtkatholische Kirche ab.

Prager Fenstersturz 22.5.1618

In Prag trafen sich daraufhin 200 Vertreter der protestantischen Stände auf der Prager Burg. Na ja, sie trafen sich nicht nur, sondern stritten so extrem, dass sie am 23.5.1618 die dortigen königlichen Statthalter und den Kanzleisekretär aus den Burgfenstern in den 17 Meter tieferen Burggraben warfen. Die verletzten sich nur leicht, weil sie wohl sehr dick angezogen waren, aber der „Prager Fenstersturz“ ging in die Geschichte ein und die Unruhen verselbstständigten sich nun.

Das war der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Die ganze Sache eskalierte dann immer weiter. Erst 1618 bis 1623 Böhmisch-Pfälzischer Krieg.

Szene aus dem 30-Jährigen Krieg auf einem Gemälde von 1884 (Ernest Crofts)
(Dieses Bild ist gemeinfrei und nicht urheberrechtlich geschützt)

1625 (bis 1629) kam der Dänisch-Niedersächsische Krieg hinzu, weil ein Söldnerheer Wallensteins die protestantischen Dänen angriff, die deutschen Glaubensbrüdern zu Hilfe kommen wollten. Aus gleichem Grund kommt dann im Jahr 1630 (bis 1634) der Schwedische Krieg hinzu. Der dänische König war mit 10000 Fußsoldaten und 3000 Reitern auf Usedom gelandet. 1635 (bis 1648) folgte dann der Schwedisch – Französische Krieg. Sie sehen schon, ein Wort gab das andere und alle waren im Recht.

Stadtplan von Osnabrück erstellt von Wenzel Hollar 1633. Beim Anklicken kommen Sie auf einen Plan mit Anmerkungen zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten Osnabrücks.

In 30 Jahren starben eine Unmenge Menschen und das nicht nur durch die Gräueltaten des Krieges, sondern vornehmlich durch Hunger, Kälte  und Seuchen. Damit Sie sich ein Bild machen können:

Das Reich hatte eine Einwohnerzahl von 18.000.000 Millionen Menschen im Jahr 1618 und man nimmt an, dass ca. 6.000.000 Opfer zu beklagen waren.

Wenn man sieht, dass es vor dem Krieg, als auch nach dem Krieg mit der Glaubensfreiheit nicht so weit her ist, kann man nur sagen: Wenn es überhaupt einen Krieg gegeben hat, der völlig unsinnig war, dann was das der Dreißigjährige Krieg, der so viel Elend über die Bevölkerung brachte, wie es nur ging.

Einzug in Münster zu den Friedensverhandlungen 1643, Stadtmuseum Münster
Von Gerard ter Borch – Stadtmuseum Münster, Gemeinfrei
 
Die spanischen und niederländischen Gesandten beschwören am 15. Mai 1648 im Rathaussaal den Frieden von Münster. Die protestantischen Niederländer heben die Hand zum Schwur, während die katholischen Spanier auf die Bibel und das Kreuz schwören. Für die Verträge vom 24. Oktober 1648 hat eine solche feierliche Zeremonie allerdings nicht stattgefunden.

Am 25.12.1641 würde dann in Hamburg ein Vertrag geschlossen, bei dem Münster und Osnabrück als Verhandlungsorte festgelegt wurden. Osnabrück auf ausdrücklichen Wunsch von Königin Christina von Schweden. Dafür musste Osnabrück dann natürlich erst für neutral erklärt werden, was am 18.6.1643 geschah. Die Friedensverhandlungen von Osnabrück und Münster zogen sich ab 1643 fünf Jahre lang hin. Teilnehmer waren europäische Staaten wie Frankreich, Schweden, Spanien und Niederlande, aber auch Verhandler des Kaisers und Repräsentanten des Reiches. Außerdem Vermittler aus dem Vatikan der Republik Venedig und etliche Reichsstände. (Hier eine Übersicht der Verhandler).
Am 15.5.1648 wurde dann in Münster der Spanisch – Niederländische Frieden geschlossen und dann am 24.10.1648 der Kaiserlich-Schwedische und der Kaiserlich-Französische Frieden. Es sind also eigentlich zwei Friedensverträge, die unterschrieben wurden.

Wenn man heute vom Westfälischen Frieden spricht, denkt man immer, die Verhandlungsführer sind unter dem Dach des „Westfälischen Friedens“ nach Münster und Osnabrück gefahren. Doch dem war nicht so, der Name entstand erst später.

Und was bedeutete der 30 jährige Krieg für Osnabrück?

Die Stadt Osnabrück gehörte zum Fürstbistum Osnabrück und zu Beginn des Krieges ca. 6000-8000 Einwohner.  Sehr stark bestimmt wurde die Regierung auch von der Handwerkerschaft der Stadt, die in elf Gilden organisiert waren.

Triumph des Osnabrücker und Nürnberger Friedens in einer zeichnerischen Darstellung von 1649

Allerdings war Osnabrück auch stark Landwirtschaftlich geprägt, was auch an den Laischaften vor den Toren der Stadt erkannt werden kann.

Die Reformation wurde von Hermann Bonnus im Jahre 1543 im Auftrag des lutherischen Fürstbischofs Franz von Waldeck eingeführt.

Hermann Bonnus
Kupferstich und Radierung von Christian Fritzsch

Die Osnabrücker waren also mehrheitlich lutherisch, anders, als der Rest des Fürstbistums, wo es nicht so eindeutig war. Der katholische Glaube blieb aber dennoch auch in der Stadt Osnabrück präsent, denn Dompfarrei, Kirche St. Johann und die beiden Kloster Dominikaner und Klarissen waren weiterhin aktiv. Um nicht in den niederländisch-spanischen Konflikt reingezogen zu werden, wählte das Domkapitel meist evangelische Bischöfe. Der letzte Fürstbischof, der Osnabrück aus dem Krieg heraushielt, war Philipp Sigismund von Braunschweig-Wolfenbüttel. Doch als er 1623 starb, konnte die Duldung zweier Konfessionen nebeneinander nicht mehr aufrecht erhalten werden. 1624 übernahm dann der katholische

Bischof Eitel Friedrich von Hohenzollern, der zwar die lutherischen Pfarrkirchen nicht rekatholisierte, aber dennoch hatten danach die Katholiken das sagen.

Eitel Friedrich Graf zu Zollern Kardinal der Römischen Kirche im Jahre 1621

Als er 1625 starb wurde Franz Wilhelm von Wartenberg gewählt, worauf eine Belagerung der Stadt durch die Dänen folgte, die sogar zwei Domherren aus der Stadt entführten. Dennoch konnte der Bischof 1627/28 nach Osnabrück zurückkehren.

Kardinal Franz Wilhelm von Wartenberg
Fürstbischof von Osnabrück 1625-1661

Er fuhr die harte Tour, ignorierte verbriefte Rechte der Stadt, entwaffnete die Bürger und betrieb rücksichtslos die Rekatholisierung der Stadt, indem er das aufgelöste Barfüßerkloster wieder aktivierte, das Gymnasium Carolinum zur Jesuitenuniversität machte und sogar das evangelische Ratsgymnasium schloss. Er mischte sich sogar in die Wahl des neuen Stadtrates 1929 ein, setzte den lutherisch bestimmten Rat ab und erzwang einen ihm genehmen Rat. Weshalb die Osnabrücker Bürger ihn aber am meisten hassten, war der Bau der Petersburg, in der Form eines fünfzackigen Sternes, der im Mai 1628 begann. Das war eine Burg, die nicht nur Osnabrück nach außen abschottete, sondern nach innen wurden Teile der Stadtmauern eingerissen, so dass Wartenberg jederzeit auch die Stadt militärisch beherrschen konnte. Zu der Zeit verließen mehr als 100 vermögende protestantische Familien die Stadt. Doch trotz all dieser Maßnahmen blieben die Osnabrück in Mehrheit evangelisch. Wartenberg blieben nur ein paar Jahre, um die Stadt zu verändern.

Denn bereits 1633 verließ er Osnabrück und ging nach Köln, weil schwedische Truppen im August die Stadt Osnabrück belagerten.

Axel Oxenstierna. Schwedischer Reichskanzler, nach dem Tod von Gustav Adolf Oberbefehlshaber

Das war die einzig dauerhafte Belagerung der Stadt im ganzen Dreißigjährigen Krieg. Die kaiserlichen Truppen zogen sich erst in die Petersburg zurück, wo sie im Oktober 1633 aufgaben. Für die Stadt war damit aber noch nicht alles ausgestanden, mussten Sie doch 40000 Reichstaler aufbringen um von den Schweden verschont zu werden. Zusätzlich 20000 Reichstaler musste das Domkapitel aufbringen. Außerdem ließ sich die Garnison von 600 Mann kostenlos beherbergen und bewirten. In der Folge kamen vertriebene Ratsherren und lutherische Prediger zurück und das evangelische Ratsgymnasium wurde wieder eröffnet. Katholiken wurden kaum verfolgt. Dennoch waren die Osnabrücker froh, als endlich die Friedensverhandlungen begannen. Denn dafür musste die Stadt erst einmal neutral sein und somit die schwedischen Truppen abziehen. Man versuchte die schwedische Politik und das Militär gegeneinander auszuspielen. Auch, weil man wohl noch Gelder schuldig war und diese auf keinen Fall leisten wollte.

Frühes Porträt von Christina von Schweden um 1640 (Gemälde eines unbekannten Hofmalers)

Helfer dabei war Johann Salvius, der Bestechungsgelder der Stadt erhielt und später sogar offizieller Friedensverhandler Schwedens wurde, weil er sich mit Christina von Schweden gut verstand. Und tatsächlich wurde Osnabrück nach 1643 unabhängig wie nie zuvor. Die Stadt kam sogar in den Besitz der bischöflichen Petersburg, die derart gehasst war, das man sie am Ende des 30-jährigen Krieges ab Juli

1647 abriss, obwohl das Domkapitel und der Bischof bei kaiserlichen Gesandten um Unterstützung bat.

Christinas Halbbruder Gustav Gustavson
(unbekannter Maler) Reichsrat und von 1633 bis 1648 Administrator des Hochstifts Osnabrück

Die Schweden wollten sich zu keiner klaren Äußerung bringen lassen und außerdem hatte Bischof Wartenberg noch genug Einfluss, schließlich verhandelte er in Münster als Bevollmächtigter des Kurfürstenkollegiums mit. Doch mit der Friedensfeier rissen die Osnabrücker Bürger in einer konzertierten Aktion Ende 1648 die Reste der Burg ab.

Übrigens müssen die hygienischen Verhältnisse in Osnabrück katastrophal gewesen sein. Immer wieder beschwerten sich Kongressabgeordnete über Kloaken und Dreck. Es wurde dann vom Rat 1647 eine Müllabfuhr eingesetzt, die die Gassen regelmäßig von Misthaufen reinigte. Außerdem stiegen natürlich aufgrund der Nachfrage die Preise für alle möglichen Güter. Teilweise so stark, dass sich Delegationsmitglieder beschwerten. Ein weiteres Problem war das Buhlen aller möglichen Seiten um Hilfe einzelner Gesandter. Da war der Rat, das Domkapitel, die Ritterschaft genauso dabei, wie einzelne Bürger, die glaubten finanziell von den Gesandten profitieren zu können.

Nach Abschluss des Westfälischen Friedens, Verkündung am 25.10.1648 und Austausch der Ratifikationsurkunden am 18.2.1649 kam Bischof Wartenberg 1650 offiziell nach Osnabrück zurück. Der Rat gratulierte ihm zwar zur Rückkehr, was aber wohl nicht so ernst gemeint war.

Der Lutheraner Ernst August wurde im Westfälischen Friedensvertrag von 1648 zum Bischof des Hochstifts Osnabrück nominiert und 1662 vom Osnabrücker Domkapitel zum Bischof von Osnabrück gewählt. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tod im Jahr 1698 inne.

1661 starb er und seine Nachfolge trat 1662 Ernst August I (später Fürst von Calenberg) an. Diesem kam die Stadt sehr entgegen, er konnte das Residenzschloss errichten und 1673 beziehen.

Alles in allem, ist Osnabrück also mit Glück und Verhandlungsgeschicke ganz gut durch den 30-jährigen Krieg gekommen. Soweit man das bei einem Krieg überhaupt kann. Wie unsinnig der Krieg war, sieht man auch am Ergebnis für Osnabrück: Nach dem Friedensvertrag konnten die beiden Konfessionen in der Stadt gleichberechtigt mit- und nebeneinander leben, wie eigentlich bereits im Jahre 1543, dem Jahr der Reformationseinführung. Alles in allem also verschenkte Jahre.

Wenn Sie interessiert, wer da eigentlich in Osnabrück und Münster verhandelt hat, und was für Ausmaße das für die Städte hatte, dann finden Sie das hier.

Und wenn Sie sich fragen, warum und seit wann unsere Viertklässler den Friedensreiter „geben“, dann ist hier der richtige Link dazu.

Postreiter brachten die Meldungen über Fortschritte und somit auch die Nachricht vom Friedensschluss von Münster nach Osnabrück und umgekehrt. Hier der Ausschnitt eines Flugblattes. Auf kaiserliches Geheiß hatte der Fürst von Thurn und Taxis in Münster ein Reichspostamt eingerichtet, damit der Briefverkehr nach Wien, Amsterdam, Köln und Hamburg sichergestellt war. Von Münster bis Wien brauchten die Depeschen an die 15 Tage – es dauerte also einen Monat, bis Antwort vom Kaiser eintraf. Alles also sehr langwierig.

Opfer des Krieges

An dieser Stelle ist es auch noch notwendig abschließend auf die Opferzahlen des Krieges einzugehen. Genau lassen die sich nicht ermitteln. Man geht von höheren Verlusten auf dem Land als in den Städten aus. Die Wissenschaft nimmt an, dass etwa 40 % der Landbevölkerung, innerhalb der Kriegszeit starb. Nicht nur durch den Krieg selbst, sondern auch vor allem durch Hunger und Seuchen. In den Städten wird der Verlust an Menschen etwas niedriger geschätzt und lag wohl zwischen 20 und 30 %.
Die Gesamteinwohnerzahl des Reiches war bei ca. 18.000.000 Menschen im Jahre 1618. Wenn davon direkt oder indirekt ein Drittel ihr Leben verlor, kann man von 6.000.000 Opfern ausgehen.
Die Verteilung der Opferzahlen ist jedoch innerhalb des Heiligen Römischen Reichs sehr unterschiedlich gewesen. Einige Gegenden hatten kaum Verluste, wie zum Beispiel die Stadt Hamburg, die nach dem Krieg sogar zu einer großen Handelsstadt wurde. In anderen Landesteilen waren die Verluste besonders groß. Magdeburg zum Beispiel verlor in Folge seiner Zerstörung fast alle Einwohner.  Zu den großen Kriegsverlierern lassen sich die Pfalz, Mecklenburg, Pommern, sowie Teile Württembergs und Thüringens zählen. Hier wurden etwa 50 – 70 % der Bevölkerung dahingerafft.

Mit wenigen Ausnahmen, wie schon erwähnt z.B. Hamburg, war das Reich nach 1648 von einem starken wirtschaftlichen Niedergang betroffen. Das lag nicht nur an der großen Zerstörung sondern auch an der Abtretung von wichtigen Flußmündungen an ausländische Mächte, wie z.B. Schweden. Viehbestände waren vernichtet, viele Bauern mussten um zu überleben ihren Besitz an den Adel abtreten und wurden dadurch wieder abhängig. Die Kriegsschulden der Fürstentümer wie Bayern und Sachsen hatten enorme Höhen erreicht. Produktionsstätten waren vielfach zerstört. Zahlreiche Kulturgüter und Kunst wurde durch den Krieg zerstört oder als Beute ins Ausland verbracht. Die Mainzer Bibliothek ging nach Schweden, die von Heidelberg an den Vatikan.

Der Dreißigjährige Krieg war also ein Paradebeispiel für die Unsinnigkeit eines Krieges und seine negativen Folgen die noch viele Jahrzehnte nachwirkten. Dennoch hatte Europa daraus nicht gelernt, wie der 1. und 2. Weltkrieg zeigten.