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Seide, die Königin unter den Naturfasern

Asiatische Seidenstoffe

Die Königin unter den Naturfasern: Die Seide

Wir Männer kennen Seide höchstens mal aus Schlössern, wo Vorhänge und Wandbehänge aus Seide sind. Im Herrenbereich wird davon wenig verarbeitet. Seidenhemden werden kaum noch irgendwo angeboten, weil die Seide natürlich als Hemdenstoff nicht so besonders glücklich ist und man Schweißflecken schnell sieht, bzw. nach dem Trocknen des Schweißes gern Ränder bleiben.

Anzüge in Seide oder in Seidenbeimischungen gibt es natürlich, sie sind aber kaum zu bezahlen und spielen daher in normalen Bekleidungsläden keine Rolle. Wenn Ihnen im Urlaub in Asien einmal angeboten wird, einen Anzug aus Seide auf Maß innerhalb kürzester Zeit anfertigen zu lassen, denken Sie daran, dass ein in Asien glatter Anzug hier wie „aus dem Wasser gezogen“ aussehen kann. Grund: Die unterschiedliche Luftfeuchtigkeit.

Doch Krawatten, jedenfalls die besseren, die sind aus Seide und die können Sie auch bei uns erwerben und bezahlen.

Was ist so schön an Seide?

Zum einen ist Seide extrem leicht, zum anderen glänzt sie selbst im Schatten noch, was ihr einen Hauch von Luxus gibt. Früher war sie den hohen Kreisen vorbehalten und war ein Zeichen von Macht und Reichtum. Der Grund dafür war die Gewinnung der Seide, denn es ist ein langer Weg, bis aus von Tieren erzeugten Fäden der Stoff gewoben wird.

Der Großteil der Seide stammt von einem Nachtfalter, dem Maulbeerspinner. Er ernährt sich von den Blättern des Maulbeerbaumes und das nicht zu knapp und spinnt sich dann in einen Kokon ein. Diese Seide nennt man Naturseide, der Faden ist besonders wertvoll, weil er sehr regelmäßig ist.

Dann gibt es auch noch andere Gruppen von Schmetterlingen, z.B. die Pfauenspinner. Sie gehören mit einer Flügelspannweite von 28 cm (Atlasspinner) zu den schönsten und größten Nachtschmetterlingen und stellen die Wildseide her. Die Raupen dieser „Spinner“ ernähren von Blättern verschiedener Laubbäume. Je nach Farbe der Nahrung haben auch ihre Kokons verschiedene Farben.

Die Entdeckung der Seidenfäden wird einer chinesischen Kaiserin vor rund 5000 Jahren zugeschrieben. Sie soll Raupen beobachtet haben und hat dann die Fäden vom Kokon wieder abwickeln lassen und Stoff weben lassen.

Legende ist eines – die Entstehung in der Realität ein anderes

Als Beispiel dient der Maulbeerspinner. „Maulbeerspinnerfrau“ legt nach der Paarung hunderte von Eiern, aus denen nach 10-14 Tagen Brutzeit die Raupen schlüpfen.

Maulbeerspinner

Diese vertilgen im nächsten Monat Unmengen an Blättern des Maulbeerbaumes. Evt. kommt hier auch der Ausdruck „Raupbau“ her, doch Spaß beiseite. Die Raupe wächst so schnell, dass sie sich 4 mal häutet. In den fünf Wochen seit dem Schlüpfen ist aus dem 3-4mm großen Tier schon eine 7-10 cm lange Raupe geworden. Sieht ist jetzt auch über 10000 Mal so schwer wie zu Anfang. Die Raupe möchte jetzt gerne ein Schmetterling werden und spinnt sich in einem Faden ein. Und jetzt halten Sie sich fest: Der Faden ist ungefähr 3000 Meter lang. Das Material für den Faden besteht zum Einen aus Fibroin, für die Festigkeit und zum Anderen aus Sericin, eine Art Leim, damit der Faden zu einem Kokon zusammenklebt. Sericin sorgt hinterher auch für den typischen Seidengeruch. Beide Materialien werden jeweils in einer Spinndrüse gebildet und dann zusammen durch eine weitere gedrückt, damit der Faden entsteht. Alles trocknet und härtet zu einem Faden. Nach 3 Tagen ist der Kokon fertig und nach weiteren 18 Tagen schlüpft der Schmetterling, indem er eine Flüssigkeit bildet, die den Kokon aufweicht, damit er raus kann.

Und etwas vorher greift dann der Mensch ein, denn durch das Schlüpfen würde der Seitenfaden zerstört. Ich hoffe, Ihre Kinder lesen nicht mit, wenn doch: Jetzt einmal nach draußen schicken.

10 Tage bevor die Schmetterlinge schlüpfen werden die Kokons eingesammelt, die Puppen getötet und die Seide „geerntet“. Der Kokon wird dazu in Wasser eingeweicht und äußerlich abgebürstet, bis sich der Fadenanfang in der Bürste verfängt.

Abwickeln der Seidenfäden nachdem durch Bürsten der Anfang gefunden wurde.

Dann müssen 3-6 Fäden von verschiedenen Kokons zusammen abgewickelt und zu einem dickeren Gesamtfaden zusammengedreht werden. Anderenfalls wäre ein einzelner Faden einfach zu fein für die Weiterverarbeitung, er hat nur 12-20 Mikrometer Dicke, gegenüber einem Menschlichen Haar, dass bei 50 Mikrometer liegt. Diese Prozedur muss noch im warmen Zustand erfolgen, weil sie sich beim Abkühlen zu einem Faden zusammenschließen.

Körbe mit Unmengen an Seidenraupenkokons

Es bliebe noch zu sagen, dass nur ungefähr ein Drittel des Kokons dann wirklich als ganzer Faden für eine hochwertige Seide gewonnen werden kann, also ca. 1000 Meter am Stück. Die restlichen zwei Drittel, dabei handelt es sich um die äußeren Kokonschichten, wird als minderwertige Seide oder Schappeseide weiterverarbeitet. Sie kommt  als watteartige Bänder aus 50 bis 250 mm langen und parallel gerichteten Fasern in die Produktionsfirmen.

Vlies Schappeseide von Kokonaußenseite, also 2. Seidenqualität

Oft werden Schappeseidengarne als Maschinennähseiden verwendet. Abfälle aus dieser Schappeseide gibt es auch noch, die wird dann als Bourretteseide verarbeitet. Sie sind meist noppig, und von vielen Knoten und Fremdanteilen durchsetzt, wie z.B. Stroh und Puppenreste. Diese 3. Seidenqualität wird häufig für Babywindeln und Stilleinlagen verwandt, weil hier noch ein hoher Anteil Seidenleim enthalten ist und der soll besonders entzündungshemmend sein. In den anderen Seidenqualitäten wird der Leim großteils entfernt.

Die Qualitätsabstufungen beim späteren Stoff reichen von
AAA (Beste Qualität. 0 bis 1 Webfehler je Laufmeter)
AA (2 bis 5 Webfehler je Laufmeter)
A (6-10 Webfehler je Laufmeter)
B (Mehr als 10 Webfehler oder Löcher, Risse oder fehlerhafte Vor-/Nachbehandlung des Grundstoffes oder allg. stark fehlerhafte Ware.)

Daneben gibt es noch die Einteilung der Qualität nach Herkunft der Seide. Maulbeerspinnerseide gilt als die beste Qualität, wobei der Mittelteil des Kokons wiederum die beste Qualität aufweist.

Wer jetzt aber glaubt, der Prozess der Seidenherstellung wäre nicht besonders schwierig: Schmetterlingsraupen züchten, die Kokons ernten und den Faden zu einem Stoff verweben. Vor allem, aus allen Abfällen noch wieder etwas machen, was bezahlt wird, der irrt

Die Realität sieht anders aus. China brauchte  Jahrhunderte um die Herstellung der Seide zu perfektionieren.

China und die Entdeckung der Seide

Die Chinesen haben gegen Todesstrafe das Geheimnis der Seidenherstellung Jahrtausende gehütet. Es durfte nur die kaiserliche Familie und Würdenträger überhaupt Bekleidung aus Seide tragen. Auch die Samen des Maulbeerbaumes, Eier der Schmetterling oder sogar ganze Kokons durften nicht aus dem Lande gebracht werden. Dadurch hat sich ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. die in heutiger Zeit als Seidenstraße bekannte Handelsroute entwickelt. Auf der wurden natürlich auch Gewürze, Edelsteine und Edelmetalle transportiert

Bild der Hauptroute der Seidenstraße
Dank für die Grafik an Wikipedia:

„Transasia trade routes 1stC CE gr2“. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Transasia_trade_routes_1stC_CE_gr2.png#/media/File:Transasia_trade_routes_1stC_CE_gr2.png

Wie kommt die Seide nach Europa

China exportierte Seidenstoffe in die ganze Welt. Bei dem Tempo, dass Karawanen damals hatten, dauerte es 6-8 Jahre, ehe die Stoffe z.B. in Rom ankamen. Somit kamen zur Seltenheit der Seidenstoffe auch noch die Strapazen der Karawane. Es dürfte Sie nicht wundern, dass dann ein Kilo Seide einem Kilo Gold entsprach. Der Goldpreis liegt im August 2015 bei ca. 33000,- Euro, das Gewicht einer unserer überlangen Seidenkrawatten bei 74 Gramm. Der Wert einer unserer Krawatten also bei 2442,- Euro. Es scheint, als müssten wir unsere Preise ein wenig anheben.

Nichts ist lange geheim!

Wie es mit Geheimnissen so ist, je mehr davon wissen, desto ungeheimer ist das Ganze. Dennoch dauerte es bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. bevor es angeblich 2 Mönchen des oströmischen Kaisers Justinian gelang Eier der Maulbeerspinner und Samen der überwiegenden Speise dieses Tieres nach Byzanz zu schmuggeln. Für die Skeptiker: Ja ich weiß, die Eier hätten so lange wohl nicht überlebt. Aber so ist es überliefert.

Irgendwann wurde der Maulbeerbaum in ganz Europa angebaut. Die Landesfürsten holten die Seidenproduktion in ihr Land. Bedeutende Zentren für Seide waren in Florenz und Venedig, später aber auch Frankreich, Schweden und Russland. Heute schnalzen viele Händler mit der Zunge, wenn sie Seide aus Como und Mailand, also Italien, oder aus Frankreich Lyon kaufen können.

Zu guter Letzt: Warum Seide?

Seide besitzt mehrere unverwechselbare Eigenschaften, so ist sie nicht nur glänzend sondern auch besonders reißfest. Im Winter speichert sie die Körperwärme und wirkt im Sommer isolierend gegen Hitze. Empfindlich ist Seide nur gegen extreme Temperaturen, deswegen ist es stets ratsam sie per Hand zu waschen. Sorgen muss man sich um Falten allerdings nicht machen, da Seide nur wenig zum Knittern neigt. Seide ist ein Gewebe, wie man es sich nur wünschen kann.

Wissen Sie woran man echte Seide erkennt?

Der einfachste Trick ist, sie zu verbrennen. Nein, natürlich nicht die ganze Krawatte. Man trennt einfach ein paar Fasern ab und zündet sie an. Wenn die Fäden zu feiner Asche zerbröseln und sich der Geruch verbrannten Haares entfaltet, ist der Seide kein Polyester untergemischt und daher rein.

Und nun?

Entweder kommen Sie jetzt zu uns und kaufen 1, 2, ach was sag ich 5 unserer wirklich günstigen Seidenbinder, oder Ihrer Liebsten woanders seidene Unterwäsche. Ich wäre ja für Ersteres, auch wenn mich das Zweite natürlich genauso reizen würde.

 

Jetzt noch ein paar Tipps

Reinigung der Krawatte

Krawattenpflege heißt bei guten Seidenkrawatten vorbeugen. Was wenn doch mal ein Fleck entsteht. Krawatten soll man besser nicht reinigen und nur im Notfall in die Reinigung geben. Hochwertige Krawatten sollten Sie wenn es wirklich notwendig ist nur einer wirklich guten Reinigung anvertrauen. Ansonsten kann es passieren, dass der Binder einfach plattgebügelt wird, er dadurch sein Volumen verliert, Kanten vom Nähen sich durchdrücken oder sich die Seide mit dem Innenfutter verdreht.

Der Idealfall wäre eine Reinigung, die Ahnung davon hat, wie man eine Krawatte reinigt.

Dann würde nämlich die Krawatte bei Bedarf auseinandergenommen und nach dem Reinigen und Bügeln wieder fachgerecht von Hand zusammengenäht.

Allzu häufiges Reinigen tut der Seide nicht gut, deshalb sollte man kleinere Flecken punktuell mit Fleckenwasser oder Spiritus entfernen. Fachleute raten dazu, die betroffene Krawatte komplett in die Flüssigkeit einzulegen, da sich dann nach dem Trocknen keine Ränder um die behandelte Stelle bilden können und dann selbst bei klarem Wasser. Alternativ tauchen Sie ein sauberes, weißes Baumwolltuch in die Reinigungsflüssigkeit und betupfen damit den Fleck, am besten, wenn er noch frisch ist.

Ansonsten ist Vorbeugen natürlich die bessere Maßnahme. Deshalb auf Reisen oder bei Geschäftsessen Krawatten aus heller, bedruckter Seide lieber im Schrank lassen. Selbst winzige Spritzer stechen auf solchen Bindern extrem ins Auge. Auf gemusterten Krawatten können Flecke schon einmal unter gehen.

Lebensdauer einer Krawatte

Gut behandelt und richtig aufbewahrt kann eine handgefertigte Seidenkrawatte von guter Qualität beinahe ewig halten, vorausgesetzt man hat genügend Krawatten, damit die getragene Krawatte sich auch wieder erholen und in die ursprüngliche Form zurückgehen kann.

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