Schultze mit tz

St. Johann – Kirche der Neustadt

St. Johann – Kirche der Neustadt

Johanniskirche Seitenansicht

Wie schon im Hauptteil beschrieben, gab es nach der Reformation und dem Westfälischen Frieden vier mittelalterliche Innenstadtkirchen in Osnabrück. Zwei wurden  1650 evangelisch – die Katharinenkirche und die Marienkirche-, die anderen beiden – der Dom St. Petrus und St. Johann blieben katholisch, da half es auch nicht, dass bereits am 22.7.1543  der Osnabrücker Reformator Hermann Bonnus in der Johanniskirche predigte. Nur die Marienkirche und Katharinenkirche wurde den Lutheranern zugesprochen.

Die Inschrift lautet wie folgt:
Dietmarus der 13.te Bischof zu Osnabrück baute und stiftete diese St. Johanns Kirche im Jahre Christi 1011.
Er war gebürtig aus Obersachsen; studierte zu Magdeburg wo er Canonicus zu St. Mauritz und Priester wurde; ward Probst zu Aachen, und im Jahre 1003 Bischof zu Osnabrück. Ein freundlicher Mann und treuer Hirt seines Volkes, ein eifriger Prediger und gelehrter Schriftsteller. Er wurde im Alter blind und starb im 20.sten Jahre seines bischöflichen Amtes den 18. Januar 2023 als würdiger Apostel Jesu.

Bischof Dietmar von Osnabrück (1003-1023) gründete vor den Toren der Stadt ein Kollegiatstift, das am 13.10.1011 dann der Grundstein zur Johanniskirche war. Sie ist also eine Stiftskirche. Vor den Toren der Stadt heißt, vor der Altstadt. Er legte damit zugleich den Grundstein zur Neustadt, die bis dahin die sogenannte „Wüste“ war. Diese Neustadt wurde auch bis 1306 getrennt von der Altstadt verwaltet und entwickelte sich so dermaßen schnell, dass sowohl die erste Kirche, als auch ihr Nachfolgebau schnell zu klein war. Bei Gründung 1011 gab es dort nur einige Bauernhöfe, 200 Jahre später hatte man schon eine kleine Stadt mit 2000 Menschen und viel Handel und Handwerk, was auch der Kirche einen Wohlstand bescherte.

Der Westteil St. Johanns zur Johannisstraße

Aus dem Grund fing Bischof Bruno von Isenburg (1251-1258) am 25.3.1256 mit dem Bau einer völlig neuen, um einiges größeren Kirche im Stile der Frühgotik. Geld war zwar mühsam zu beschaffen, doch die Spendenbereitschaft von normalem Volk, Adel und Kirche war vorhanden.

Tor zur Johannisstraße

Drei Jahre zuvor war der Dom 1253/54 abgebrannt und musste jetzt ebenfalls erneuert werden. Man sieht, Geld hatte die Kirche anscheinend, denn  auch die Marienkirche wurde zur selben Zeit renoviert.

Altes Taufbecken

Die Johanniskirche wurde 1292 eingeweiht und war eine der ersten Hallenkirchen Norddeutschland. Hallenkirchen, das sind Kirchen, die besonders durch ein Langhaus wirken. das meiste des Bauwerkes hat eine gleiche Höhe und auch ein gemeinsames Dach. Sie ist über 700 Jahre dann so geblieben, wie sie gebaut wurde, also eine dreischiffige Hallenkirche. Namenspatron ist Johannes der Täufer, der angeblich ein halbes Jahr vor Jesus geboren wurde. Aus dem hebräischen bedeutet Johannes so viel wie „Gott ist gnädig“. Johannes war Sohn des schon sehr betagten Ehepaares Elisabeth und Zacharias. Johannes taufte Jesus im Jordan. Neben Jesus und Maria ist Johannes der Einzige, dessen Geburtstag (24. Juni) gefeiert wird..

Dies Rose nennt sich Maßwerk, das ist eine Gestaltung von Fenstern durch versierte Steinmetze, die auf Geometrischen Mustern fußt und wobei die Steine skelettiert sind. Es ist ein wichtiges Grundelement der Gotik

Der Westbau, der zur Johannisstraße hin liegt, hat eine zwölfteilige Maßwerk-Rose, die vom Architekten und Kirchenbauer Dominikus Böhm (1880-1955)  entworfen wurde.

Das ist die Maßwerk-Rose mit ihren farbigen Fenstern von innen gesehen.

Im Inneren ist viel erhalten geblieben. Z.B. das Triumphkreuz, die Kanzel und der Hochaltar von 1512.

Allerdings erfolgte eine neugotische Ausgestaltung ab dem Jahr 1888. Aus der Zeit dieser neugotischen Renovierung stammen die Kanzel, die Kreuzwegbilder, die Beichtstühle, das Triumphkreuz und der „Familienaltar“ unter dem Südturm. Lukas Memken war hier der Künstler.

Die Orgel der Johanniskirche und links und rechts Statuen. Sie wurde in den Jahrhunderten immer wieder mal restauriert und umgesetzt. Seit 1996 ist sie wieder an der ursprünglichen Stelle.

Er wurde 1862 geboren und hatte sein Atelier in unmittelbarer Nähe der Johanniskirche.

Petrus mit dem Himmelsschlüssel

Schaut man auf die Orgel in westliche Richtung, sieht man rechts und links davon zwei Figuren auf Konsolen an Pfeilern. Das sind Petrus und Paulus. Sie gelten als Apostelfürsten. D.h. sie hatten eine besondere Stellung in der Kirche, weshalb ihnen dieser Ehrentitel, als Anführer der Apostel zugeschrieben wurde.

Glaubt man der Legende, dann sind beide am gleichen Tag in Rom hingerichtet worden. Petrus gekreuzigt, Paulus mit Schwert geköpft.

Paulus mit dem Schwert

Die beiden Figuren sind von Jeremias Geisselbrunn aus dem Jahre 1630. Sie waren ursprünglich für den barocken Hochaltar der ehemaligen Jesuitenkirche am Neumarkt geschaffen worden.

Das ist die Gottesmutter Maria mit dem verstorbenen Jesus Christus auf ihrem Schoß. Es erinnert an den biblischen Bericht vom Tod Jesu: Nachdem der Leichnam vom Kreuz genommen wurde, wurde er in den Schoß Marias gelegt. Für trauernde Menschen ist diese Pieta ein Trost.

Die Pieta, in der Kirche wurde von Lukas Memken geschaffen. Es soll angeblich eine Ähnlichkeit mit seiner Frau zu erkennen sein.

Memken wurde 1862 in Hersum auf dem Hümmling geboren.

Der Begriff Triumphkreuz zeigt auf den Triumph des auferstandenen Christus über den Tod.

Er betrieb die Bildhauerei in Holz und Stein. Sein Atelier war im Schatten der Johanniskirche. Von eben diesem Künstler stammt auch das große Triumphkreuz aus St. Johann, das er 1910 nach mittelalterlichen Vorbildern schuf. Polychromiert, also farbig bemalt, wurde es dann von dem Restaurator Wiegand.

Der Familienaltar

Der „Familienaltar“ unter dem Südturm, gefällt mir am besten. Man beachte die vielen Einzelheiten der liebevoll geschnitzten Szenen.

Maria und Josef auf dem Weg zur Volkszählung.
Übrigens rief dazu ein Quirinius auf. Der Statthalter Roms im Osten, also in Syrien, war er aber erst im Jahre 6 n. Chr. Geburt. Ist Jesus Christus deshalb im Jahr 6 nach Christus geboren? Forscher sind sich uneinig.

Ich glaube auch wieder von Lukas Memken. Hier wird wohl das Leben der Heiligen Familie darstellt. Unter anderem auch die Flucht nach Ägypten. Weitere Bilder finden sie auf der rechten Seite ein wenig tiefer.

Hochaltar? Heute nicht mehr. Aber alten Schriften lässt sich entnehmen, dass er das früher war. Das was man heute sieht, ist nur der noch erhaltene Mittelteil. Er ist 2,70 m hoch und 3,77 m breit. Die ursprüngliche Gesamtbreite soll 7,54 m gewesen sein.

Der Hochaltar oder Passionsaltar und damit der eigentliche Altar steht vor der Ostwand des Hochchores und ist spätgotisch aus dem Jahre 1512. Er wurde von dem Münsteraner Bildhauer Evert van Roden erstellt und zeigt Szenen vom Leiden und der Auferstehung Jesu. 1682 gestaltete man den Altarraum ins Barocke und entfernte den gotischen Hochaltar, doch 1888 wurde wieder neugotisch umgestaltet und er fand wieder seinen alten Platz. Die Flügel fehlen schon ewig. Grund wahrscheinlich der 30ig- Jährige-Krieg, Man vermutet sogar einen evtl. Verkauf nach England. Scharniere an beiden Seiten zeigen aber, dass sie wohl einmal da gewesen sind. Die Figuren waren ursprünglich farbig.

St. Joseph mit dem Jesuskind und der Inschrift: „ora pro no|bis“ – „bitte für uns“. Es handelt sich um Josef von Nazareth, den Bräutigam Marias, der Mutter Jesu. Er wird als Bauhandwerker aus Nazareth vorgestellt und daher immer Zimmermann genannt.

Der Altar stellt Passionsszenen dar. Auf dem Bild erkennen sie die Einzelheiten nicht so gut, aber schauen Sie einmal in Natura, dann sehen Sie links Christus bei Pontius Pilatus, der seine Hände in Unschuld wäscht, mittig die Kreuzigung und auf der rechten Seite die Auferstehung und Himmelfahrt in Form von Maria und den Jüngern, die niederknien. Darunter befinden sich fünfzehn Nischen mit 39 cm hohen Figuren von Christus, den zwölf Aposteln, Maria und Johannes der Täufer. Zwei Apostel fehlen, nämlich Petrus und Thomas. Sie sind seit der Auslagerung im zweiten Weltkrieg verloren.

In der Kirche sind auch ein paar sehr schöne Epitaphien („zum Grab gehörend“) zu finden. Das sind Grabinschriften oder Grabdenkmäler für einen Verstorbenen die an einer angebracht Kirchenwand sind.

Im Mittelteil zeigt ein Relief Christus mit den schlafenden Jüngern am Ölberg, rechts in der Mitte die Figur des Stifters. Eingerahmt wird die Szene von zwei Karyatiden (so nennt man die Skulptur einer weiblichen Figur, die in der Architektur eine tragende Funktion hat): links Fides mit einem Kelch, rechts Spes mit einem Anker, beide stehen auf Sockeln, die ihre Namen tragen. Unterhalb des Ölbergreliefs auf einer querrechteckigen Tafel in erhabenen Buchstaben die Inschrift, seitlich auf den Pilastern Löwenköpfe. Den unteren Abschluss bildet in der Mitte ein Engelskopf zwischen Voluten, seitlich auf gleicher Höhe zwei weibliche Masken. In der Bekrönung des Epitaphs oberhalb eines vorspringenden Gesimses ein Schild mit dem Wappen des Verstorbenen, rechts und links davon zwei Frauengestalten: Justitia mit dem Schwert und Fortitudo mit der Säule.
Übersetzung der Inschrift:
Dem verehrungswürdigen und sehr kundigen Mann, Herrn Konrad von der Borg. Lizentiat beider Rechte und ein sehr kluger Dechant nicht nur dieser, sondern auch der Kirche zu Wildeshausen, haben seine Testamentsvollstrecker in frommem Eifer (dies) setzen lassen im Jahr nach Christi Geburt 1586.

Hier links das Epitaph des Konrad von der Borg aus Sandstein, das sich an der Ostwand des nördlichen Querschiffs befindet.  Wieviel man sich bei so einer Gestaltung gedacht hat, sehen Sie in der Erklärung, die ich in einem Inschriftenkatalog der Stadt Osnabrück fand.

An der Südwand befindet sich eine Hälfte einer ehemaligen Doppelmadonna im Strahlenkranz aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts.

Schön  anzusehen auch der Tabernakel. Er steht an der Ostwand des südlichen Querschiffes. Das Sakramentshaus aus der Mitte des 15. Jahrhundert ist der Aufbewahrungsort für das Allerheiligste -die Reliquie-  der Kirche. Es stammt aus dem Jahr 1440 und war früher an anderer Stelle eingefügt. 1972 wurde es an die jetzige Stelle versetzt und verlor auch einen Aufsatz.

Übrigens sind einige der Reliquien St. Johanns so alt wie die Kirche selbst. Sie waren lange in Vergessenheit geraten und wurden in den 1970er Jahren eingenäht in aufwendige Seidenstoffe und  eingemauert in einer Altarnische wiedergefunden. Die Reliquien sorgen angeblich für die Gegenwart der Heiligen, von denen sie stammen.

Sie möchten wissen, was man sich unter einer Relique vorstellen muss? Eine ist z.B. die „Rippe des hl. Amor“, gestorben ca. 767 n. Chr.. Sie kam zu St Johann als Gabe des Klosters Munsterbilzen in Belgien. Also eher eine idelle Sache, als ein greifbarer Wert.

An den beiden vorderen Pfeilern ist rechts Maria und links der Erzengel Gabriel zu sehen. Es wird die Verkündigungsszene dargestellt.

Diese ist auch das Motiv der vergoldeten Tabernakeltür, die sich in der Mitte befindet. Zudem sind Darstellungen aus dem Leben Johannes des Täufers, die zwölf Apostel und die vier Kirchenlehrer Augustinus, Ambrosius, Gregor und Hieronymus erkennbar.

Hier eine Ergänzung von mir aus dem Dezember 2018:

Herrenfriedhof

Können Sie sich vorstellen, dass man jahrzehntelang in einer Gegend beheimatet ist, so wie wir mit unserer Firma und dann plötzlich doch etwas entdeckt, von dem man noch nie etwas gehört und es schon gar nicht wahrgenommen hat. So ging es uns.

Tür von der St. Johann in Richtung Kreuzgang

Zwar hatten wir schon mehrmals unter Todesanzeigen gelesen, dass der Verstorbene in der Johanniskirche verabschiedet und auf dem Herrenfriedhof begraben wurde. Häufig stand das bei Würdenträgern der Kirche unter der Anzeige.

Johanniskirche Osnabrück

Doch das sagte uns nichts, wir fragten uns auch nie, wo der Friedhof denn wohl ist. Dann starb jemand, von dem wir Abschied nehmen wollten und ich schaute nach, wo denn der betreffende Friedhof ist. Dabei fand ich den Ort innerhalb der Mauern der Johanniskirche, so versteckt, dass man ohne es zu wissen gar nicht darauf kommen konnte, weil man erfürchtiger Weise natürlich in der Kirche nie von alleine Türen geöffnet hätte, die immer zu sind.

Tür im Flur zum Kreuzgang

Von außen hätten wir auch nie vermutet, dass sich hinter den Mauern noch ein kleiner Friedhof verbirgt, ist doch die Kirche so gewaltig, dass man gar nicht wahrnimmt, noch ein paar versteckte Quadratmeter zu finden.

Die Brüder Johann und Engelbert Monnick werden erstmals 1533 in einer Urkunde des Johannisstifts genannt, Johann in der Funktion des Scholasters. 1563 starb Johann Monnick, sein Bruder wird seit diesem Jahr als Thesaurar von St. Johann bezeichnet. Es gibt über dessen Stellung zur Reformation keine Nachrichten, er soll aber ein entschiedener Gegner der Reformation gewesen sein. Als Propst des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Levern, das eine Umwandlung zum freiweltlichen Damenstift erfahren hatte, war er jedoch dazu angehalten, die freie Religionsausübung zumindest zu tolerieren. Das Todesdatum Engelbert Monnicks ist an keiner Stelle explizit genannt, die in der Inschrift enthaltene Jahreszahl 1577 und die überlieferte Gründungsurkunde der Monnickschen Armenstiftung von 1580 können jedoch Aufschluß darüber geben. Da erst die Urkunde von 1580, die beide Brüder als verstorben erwähnt, alle wesentlichen Voraussetzungen für die Stiftung schafft, kann sich das in der Inschrift des Epitaphs genannte Datum 1577 lediglich auf den Tod des Engelbert Monnick beziehen. Dies bedeutet gleichzeitig, daß die an die Stiftung erinnernde Gedenktafel in Form eines Epitaphs nicht vor 1580 errichtet wurde. Den weitaus größten Anteil an der Stiftung trug Engelbert Monnick, wie nicht nur aus der Gründungsurkunde, sondern auch aus der Gestaltung des Epitaphs ersichtlich ist. Die Urkunde bestimmt, dass in neun Häusern der Kommenderiestraße Wohnungen für Arme eingerichtet werden sollten, sowohl für Geistliche als auch für Bürger, für Frauen und Männer. Verantwortlich für die Verwaltung der Stiftung waren Bürgermeister und Rat der Neustadt sowie das Kapitel von St. Johann. Die Monnickschen Armenhäuser bestanden bis zum 2. Weltkrieg in ihrer alten Funktion. Zitierhinweis: DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 137 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0013708.

Um auf den Friedhof zu gelangen, geht man vom seitlichen Eingang ganz geradeaus durch die Kirche, zwei große Türen öffnen und kommt dann in eine Idylle, die den Lärm von draußen fast völlig aussperrt. Doch vorher durchquert man einen Flur. Danach findet man im Kreuzgang an der nördlichen Wand innen ein Epitaph, also ein Grabdenkmal der Brüder der Brüder Johann und Engelbert Monnick. Es befand es sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts an dem Armenhaus Kommenderiestr. 4–5, das eine Stiftung der Brüder Monnick war und im 2. Weltkrieg zerstört wurde. Dazu habe ich im Inschriften Katalog Osnabrück eine schöne Beschreibung gefunden:

Das Relief im Mittelfeld zeigt eine Kreuzigungsszene vor der Stadt Jerusalem im Hintergrund, im Vordergrund kniet eine Stifterfigur. Eingerahmt wird das Relief von ornamental gegliederten Pilastern, die das Gesims tragen. Unter dem Relief eine  Inschrifttafel, darüber eine Kartusche mit einem Medaillon, darin zwei Wappenschilde. Die Buchstaben der Schrifttafel sind besonders an den Rändern durch Verwitterung stark zerstört. Sie wurde ungefähr wie folgt übersetzt:

„Dem allerhöchsten Gott geweiht. Nachdem im Jahr 1577 der verehrungswürdige und edle Mann, Herr Engelbert Monnick, Senior und Thesaurar des ehrwürdigen Kollegiums der Kirche St. Johann in dieser Stadt, 2200 Taler den Armen durch Testament gottesfürchtig hinterlassen hat, sind auf Beschluß seiner Testamentsvollstrecker diese neun benachbarten Häuser zum Nutzen der Armen gekauft und erstmalig ausgestattet worden. Dazu kam später etwas aus dem Vermächtnis des verehrungswürdigen und edlen Mannes Herrn Johann Monnick, der Bruder Engelberts, an demselben Kolleg Scholaster und Propst in Levern. Es schickt sich, daß die Nachwelt ihr Andenken dankbar bewahrt.“

Der Herrenfriedhof ist also im Kreuzgang, inmitten der dreiteiligen Arkaden der Johanniskirche. Eigentlich war er Geistlichen wie Priestern und Ordensschwestern vorbehalten, doch einige Grabstätten stehen Gemeindemitgliedern zur Verfügung, die einer „frommen Vereinigung“ beitreten.

Ausblick von Kreuzgang zum Friedhof

Grund dafür ist, dass die eigentlich berechtigten Thuiner Franziskanerinnen ihre Grabstätten zukünftig in Thuine im Mutterhaus des Ordens haben und die Borromäerinnen, die einst das Marienhospital mit begründet haben sich aus Altersgründen zurückgezogen haben

Damit der Friedhof aber weiterhin besucht und erhalten bleibt, hat man sich entschlossen Urnengräber freizugeben.

Gewölbe des Kreuzgangs Johanniskirche Osnabrück

Das Kirchenrecht gibt die Möglichkeit das Gläubige „Vereinigungen für Zwecke der Caritas oder der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei gründen, leiten und Versammlungen abhalten können, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen“ (Canon 215 des Kirchenrechts). Damit soll die Erhaltung des Kreuzgangs und des Friedhofes gesichert werden.

Im November 2014 wurde dann die „Vereinigung zur Pflege der katholischen Frömmigkeit und Bestattungskultur an St. Johann, Osnabrück“ gegründet, die mit einer Aufnahmegebühr in Höhe von 2500 Euro ausschließlich Herrenfriedhof und Kreuzgang fördert.

Herrenfriedhof Johanniskirche Osnabrück

Die Mitglieder haben dann das Recht, für 5000 Euro eine Urnengrabstätte zu erwerben. Darin enthalten sind die Gebühren für die Beisetzung, Namensschild und Grabkreuz sowie Verwaltungsgebühren. Auch das Entgelt für eine 25-jährige Pflege der Grabstätte ist inbegriffen.

Und warum nennt sich der Friedhof jetzt „Herren“friedhof, das ist doch in Zeiten wo alles emanzipiert sein soll, die nächste Frage, die sich der/die Leser/in als nächstes stellt. Ich bin zwar nicht derjenige, der glaubt, dass man jede uralte Tradition hinterfragen muss, aber um empörten Mails zu entgehen, möchte ich es doch mit dem, was ich dazu gefunden habe, erläutern:

Kreuz im Kreuzgang Johanniskirche Osnabrück

Der Friedhof ist nach den „Herren“ benannt, denen der Friedhof ursprünglich gehörte: den Kapitelsherren von St. Johann (auch: Chorherren oder Kanoniker). Das sind die Mitglieder des Kollegiatstifts St. Johann, das von dem Osnabrücker Bischof Detmar im Jahr 1011 gegründet wurde. Es waren Säkularkanoniker, so nennt man Geistliche ohne Ordensangehörigkeit. Sie waren für die Gottesdienste in der damaligen Stiftskirche St. Johann zuständig, mit deren Bau ebenfalls im Jahr 1011 begonnen wurde. Dieses Kollegiatstift St. Johann bestand bis zum Ende des Fürstbistums Osnabrück im Jahre 1802.

Kreuzgang der Johanniskirche Osnabrück

Die Begräbnisse der Ordensschwestern auf dem Herrenfriedhof entspringt der Idee, dass die Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft, die in der Kirche und den umliegenden Einrichtungen Dienst verrichten, auch dort begraben werden. Also gab es hier eine erste Öffnung in Richtung Emanzipation der Kirche, wenn man so will.

Doch nun weiter mit meinem ursprünglichen Text:

Das Sakramentshaus mit Tabernakel: Im Bogen sind die alttestamentlichen Propheten zu sehen. An den Strebepfeilern die zwölf Apostel und darüber die Verkündigungsszene mit Maria und dem Engel; außerdem Szenen aus dem Leben des Apostels Johannes. Das feuervergoldete Messinggitter hat Symbole der vier Evangelisten, und einer Wiederholung der Verkündigungsszene und im Zentrum der Figur des Täufers Johannes

Wenn man nun die Kirche verlässt und in Richtung Johannisstraße geht, entdeckt man einen kleinen Kirchenanbau.

Anbetungskapelle

Links das ist die Anbetungskapelle. Sie wurde zu Beginn des 14. Jahrhundert von der Familie von Bar als Begräbniskapelle errichtet. Sie hatte auch den Namen Kreuzkapelle. Die Außenmauern sind aus Bruchsteinen. Später war sie dann alles, von Abstellraum bis Kriegerdenkmal. im Jahr 2002 erfolgte eine vollständige Renovierung der Kapelle.

Kreuz in der Anbetungskapelle

Einer der Gründe für die Renovierung war es, den gotischen Charakter wieder herzustellen.

Fenster der Anbetungskapelle

Das Kreuz übrigens ist aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und war ursprünglich das Triumphkreuz der Kirche St. Johann.

An der Süd- und Westseite befindet sich je ein zweigeteiltes Maßwerkfenster. In der Kapelle steht heute ein von Walter Mellmann gestalteter moderner Altar.

Tabernakel in der Anbetungskapelle

Über ihm befindet sich das Tabernakel, das sie links im Bild sehen.

Noch etwas Besonderes, dass zwar nicht zur Kirche gehört, aber so von ihr beeinflusst wurde, dass es aussieht, wie es heute aussieht. Auf der Südseite der Kirche, also zur Johannisfreiheit hin sehen Sie etwas wie eine Litfaßsäule. Die habe ich auch immer wahrgenommen, mir aber nie Gedanken gemacht, was die sollte und ob die alt ist. Erst als ich mich mit Osnabrück mehr beschäftigte, stieß ich auf die

Abluftsäule

Abluftsäule neben St. Johann

Eigentlich ganz profan und damit auch schon erledigt. Sie be- und entlüftet eine unterirdische Toilette und steht unter Denkmalschutz. Aber Sie können sich sicherlich denken, dass ich die nicht erwähnen würde, wenn es das schon gewesen wäre. Richtig. Wenn man sich die einmal ganz genau ansieht, steigt das Interesse.

Nachdem der Stift St. Johann gegründet wurde und sich drumherum in Jahrhunderten ein Siedlungskern entwickelte, wurde im 19.Jahrhundert ein WC (besser Bedürfnisanstalt) aus Blech gebaut. Die fand man in den 1920er Jahren als anstößig, weshalb sie abgerissen und dann Ende der 20iger Jahre unterirdisch neu gebaut wurde.

Der Tod

Nur, wer das von zu Hause kennt, der weiß, die musste auch entlüftet werden. Dazu sollte eine Litfaßsäule gebaut werden, doch dafür hätte die Kirche Werbeplakate in unmittelbarer Nähe akzeptieren müssen, was natürlich unmöglich war. Man kam also darauf, Kunst zu schaffen, oder jedenfalls etwas, was die „vorübereilenden Menschen zum Verweilen aufforderte und zur Besinnlichkeit anregte“.

Geschichten auf der Säule:
Ein vom Auto angefahrener Mann, eine Frau mit Handtasche und aufgespanntem Schirm oder ein Mann, der einem Jungen droht.

Es wurde also vom Architekten Theo Burlage (1894-1971) eine Säule entworfen, die außen mit Tonreliefplatten und Tonfiguren von Wolfdietrich Stein (1900-1941) verziert wurde. Auf den Platten findet man Tiere und „Geschichten“. Es werden sogar Sprichwörter dargestellt, wie „vor der eigenen Tür kehren“ oder „der Himmel hängt voller Geigen“.

Oben auf der Krone ist eine Inschrift: „Der Tod frisst alle Menschenkind‘, fragt nich wes Stand und Ehr‘ sie sind. Der Tod fragt nicht nach Zeit, würgt alt‘ und junge Leut‘“ Dazwischen werden Schriftbänder mit Plastiken dargestellt, z.B. der Tod und junge und alte Menschen, die von ihm aus dem Leben gerissen werden. Anfang der 1980iger Jahre wurde die Säule teilweise restauriert. Sie sehen, so kann auch aus so etwas uninteressantem wie einer Toilettenabluftsäule Kunst werden. Das wollte ich Ihnen nicht vorenthalten. Und wenn Sie einmal in der Nähe sind, vielleicht auch gerade bei uns Bekleidung in Übergrößen eingekauft haben, dann gehen Sie dort vorbei, Sie werden staunen, mit welchem Aufwand die Platten Alltägliches darstellen.

Seitenansicht von St. Johann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert