Die berühmteste Kirche Barcelonas und Wahrzeichen Nr. 1 ist?
Natürlich der „Temple Expiatori de la Sagrada Familia“, auf Deutsch der Sühnetempel der Heiligen Familie.
Es begann als kleine Kapelle im 1. Jahrhundert. Im 11. Jahrhundert wurde sie zu einer romanischen Kirche umgebaut und wenig später begann die Umgestaltung zur romanischen Kirche. Die Sagrada Familia ist in ihren Ausmaßen riesig, weswegen sie oft als „Kathedrale“ bezeichnet wird, ohne jedoch einen Bischofssitz zu haben. Am 7.11.2010 wurde sie von Papst Benedikt XVI. geweiht und damit zur Basilika erhoben.
Seit 1882 wird an der Kirche im Stadtteil Eixample gebaut. 1883 übernahm der katalanische Architekt Antoni Gaudi bis zu seinem Tod 1926 die Führung der Bauarbeiten und hat dadurch den Bau bis heute maßgeblich geprägt. Wann sie fertig ist? Das ist noch nicht genau abzusehen, obwohl viel vom Jahr 2026 gesprochen wird, das wäre dann 100 Jahre nach Gaudis Tod und knapp 150 Jahre nach Baubeginn. Also ein Datum mit Symbolik. Wir drücken die Daumen, dass es klappt und würden die Baubeendigung auf jeden Fall zum Anlass nehmen, mal einen längeren Urlaub in Barcelona zu machen.
Übrigens hatte man Gaudi zu Lebzeiten auch gefragt, ob es eine baldige Fertigstellung gäbe. Seine Antwort: „Mein Kunde hat keine Eile“. Damit spielte er vor allem auf Gott, aber auch auf die Baudirektion an.
Doch nun würde ich gern unsere Bilder zeigen und auch wie gewohnt auf die Geschichte und Entwicklung kommen.
Der Beginn der Bauarbeiten
Mitte des 19. Jahrhunderts plante der Buchhändler José Maria Bocabella, Vorsitzender der Heiligen Bruderschaft, eine Kirche in Barcelona zu bauen und diese der Heiligen Familie („Sagrada Familia“) zu widmen.
Als Grundstück wählte er eine Parzelle noch innerhalb des Straßenrasters im damaligen „Poblet“ (Dörfchen).
Lieber wäre ihm ein Grundstück näher zur Stadtmitte hin gewesen, das war jedoch aufgrund der damals schon hohen Grundstückspreise nicht möglich. Sie sehen, man muss nur Geduld haben, ist doch heute die Sagrada Familia in der Mitte Barcelonas.
Die Planung des Gotteshauses hatte zunächst der Bistumsarchitekt Francisco del Villar. Dieser entwarf eine Kirche im gotischen Stil und begann 1882 mit dem Bau der Krypta. Wegen grundlegender Meinungsverschiedenheiten mit Bocabella musste er jedoch seinen Auftrag niederlegen.
Wenige Monate später im Jahr 1883 nahm der junge Architekt Antoni Gaudi seine Stelle ein,
Der Architekt Antoni Gaudi
Barcelonas bekanntester Architekt der Modernisme, Antoni Gaudi, arbeitete bis zu seinem Tod am 10. Juni 1926 an der Sagrada Familia. Obwohl Gaudi sich ab 1914 ausschließlich dem Bau der Kirche
widmete, ging es nur langsam vorwärts, weil die „Kirche der Armen“ nur mit mäßig fließenden Spendenmitteln finanziert wurde. Bei Gaudis Tod 1926 war gerade ein Turm der östlichen Fassade fertig, die übrigen Türme dieser Weihnachtsfassade brauchten bis ins Jahr 1935. Während des spanischen Bürgerkriegs verbrannte dann ein Großteil der Arbeitsunterlagen Gaudis, was nicht gerade zur beschleunigten Fertigstellung des Gebäudes beitrug.
Heute sorgen 3 Millionen Besucher mit ihren Eintrittsgeldern pro Jahr und jährlich 22 Millionen Euro Spenden dafür, dass der Bau beschleunigt wird.
Noch eine ganz interessante Sache zu Gaudi vorab:
Gaudi testete die Statik für die Sagrada Familia zunächst bei seinem Entwurf für die wesentlich kleinere Kirche der Colònia Güell. Hier wandte Gaudi eine zum damaligen Zeitpunkt fast vergessene Technik an. Er fertigte das Tragwerk aus Schüren und hängte das gesamte Bauwerk kopfüber auf. Gaudis Forschungen der Statik waren bahnbrechend:
Der Architekt knotete Seile so zusammen, dass die entstandene Seilkonstruktion der geplanten Konstruktion mit Säulen und Mauern entsprach. Er drehte die Konstruktion auf den Kopf und hängte an den Druckpunkten kleine Gewichte auf. So konnte er die Druckverläufe in den Säulen simulieren. Das Seilgerüst fotografierte er und drehte das Foto wiederum um. Nun konnte er Druck- und Spannungsverläufe auch ohne statische Berechnungen gut erkennen.
Das Modell eignete sich somit dafür, eine Form zu finden. So konnte er durch gezielte Längenanpassungen sehr schnell ein ausgewogenes Bauwerk konstruieren.
Diese Methode war in der Gotik bei der Konstruktion großer Bauwerke üblich, aber etwas in Vergessenheit geraten. Durch Experimente bei der Colònia Güell, hatte er genügend Sicherheit, um nun diese viel größere Kirche zu bauen.
Unter Gaudi gewann die Sagrada Familia aufgrund ihrer ausladenden Dimension und ihrer üppigen Ausgestaltung eine solche Bedeutung, dass sie bald „die Kathedrale“ genannt wurde. Auch Gaudi selbst nannte sie so.
An dieser Stelle möchte ich, damit Sie sich die Größe vorstellen können ein wenig mit Zahlen glänzen, die ich im Internet fand:
Der Grundriss der Kirche hat die Form eines Lateinischen Kreuzes – mit enormen Abmessungen. Die Sagrada Familia wird vom Eingang bis zur Apsis 90 Meter haben.
Die fünf Schiffe werden von einer 60 Meter langen und 45 Meter breiten Vierung begrenzt. Die vier Seitenschiffe sind jeweils 7,50 Meter, das Hauptschiff mit 15 Metern genau doppelt so breit.
In den äußersten Kirchenschiffen befinden sich die Chöre jeweils auf einer Empore. Diese bieten dann Platz für über 1500 Sänger.
Ein Ergebnis von Gaudis Forschung ist die baumartige Säulenstruktur: Gaudis Säulen sind geneigt und wie Bäume verzweigt. Das Gewicht wird direkt über die Säulen in den Boden geleitet. – Das Ganze ohne weitere tragende Fassade oder äußere Strebebögen. Das Ergebnis dieser genialen Lösung ist spektakulär: Die Säulen und das durch sie getragene Gewölbe verwandeln das Innere des Tempels in einen steinernen Palmwald. Extrem viel Licht strömt durch die großen Fenster und durch das Gewölbe hinein.
Die geraden und teilweise geneigten Säulen sind mit Rillen verziert. So entsteht der Eindruck, dass sich das Material, aus dem die Säulen bestehen, gestreckt hat. Oben verzweigen sich die Säulen, damit jede von Ihnen mehrere Punkte der Decke stützen kann. Alle Abschnitte des Daches werden von solchen verzweigten Säulen getragen. Schließlich bestehen die Säulen aus Materialien unterschiedlicher Härte. Die längsten und dicksten sind aus rötlichem Porphyr. einem sehr harten vulkanischen Gestein. Die dunklen, etwas kleineren Säulen bestehen aus Basalt, die helleren Tragsäulen aus Granit und die äußere Säulenreihe des Kirchengebäudes aus einem relativ weichen Gestein vom Hausberg Barcelona, dem Montjuic. Die „kleinsten“ Säulen tragen den Chor.
Den Aufwand, den Gaudi betrieb, sieht man auch daran, dass er nicht nur mit kleinen und großen Modellen aus Gips in den 43 Jahren seiner Arbeit immer wieder die Statik der Kathedrale testete, sondern zum Beispiel am Entwurf eines Fensters zwölf Jahre lang arbeitete, immer wieder neue Modelle baute, veränderte, probiert. Er passte die Neigung der Öffnung an, vereinfachte das Prinzip, so wie sich auch die Organismen in der Natur immer wieder weiterentwickeln.
Er war überzeugt, dass die Stadt eines Tages für „seine“ Kirche bekannt sein würde. Gaudi hat die Kirche maßgeblich geprägt. Viele neue Teile sind auch später nach seinen Plänen gebaut worden, die häufig kaum erhalten waren. Man war oft auf Vermutungen angewiesen, wie es der große Baumeister ursprünglich wohl vorgesehen hatte.
Die „Old Guys“, damals fast 90ig jährige Architekten Isidre Puig (geb. 1891, gest. 1987) und Lluis Bonet (geb. 1893, gest. 1993) beides Schüler Gaudis, fragte man in den 80iger Jahren, wie sie den Arbeitern erklären, was sie bauen sollen – ohne Pläne. Ihre Antwort war: „Alles steckt in den Modellen“.
Sicher sind sich aber alle: Die Kirche wird im Falle ihrer Fertigstellung alle bisher von der Christenheit errichteten Kirchen an Großartigkeit übertreffen.
Dafür arbeitet heute ein Team aus 20 Architekten und 150 Handwerker mit einem Monatsetat von einer Million Euro, die aus Spenden zusammenkommen.
Viel auch von Japanern, die aufgrund eines Barcelona Urlaubes so begeistert waren, dass sie gerne zum Gelingen beitragen wollen. Zu Gaudis Zeiten waren drei Architekten beteiligt, wie sich die Zeiten ändern.
Als Kirche darf die Sagrada Familia allerdings nicht nur vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet werden. Es muss bei der Betrachtung des Bauwerkes mit seinen Fassaden und Türmen auch die Religion mit einbezogen werden. Die Fertigstellung des Innenraums und die Weihe waren großartige Momente für Barcelona. Nun endlich kann die bahnbrechende Gestaltung des genialen Antoni Gaudi nicht nur von außen bewundert werden, sondern auch von innen – und dies ganz ohne Baugerüste und Maschinenlärm.
Das Kirchengebäude orientiert sich am klassischen Bau einer fünfschiffigen Basilika. Das mittlere Schiff überragt die anderen deutlich, jedem der fünf ist ein Tor der noch nicht fertiggestellten Glorienfassade zugeordnet. Außerdem existieren zwei Seitenportale, die zu der Buß- und Taufkapelle führen. Hinter dem Mittelschiff, innerhalb der Absis, befindet sich beleuchtet durch die vielen Fenster, der Altar.
Ebenso wie die Fassaden sich durch eine vielschichtige Symbolik auszeichnen, ist auch der Grundriss der Kirche voller Sinnbilder. Jede Tür, jede Säule und fast jede Fläche trägt eine eigene konkrete oder symbolische Bedeutung. Diese Andeutungen und Gleichnisse nehmen Bezug auf die einzelnen katalanischen und wichtigen spanischen Diözesen, auf jede Kirche Lateinamerikas und auf jeden der fünf Kontinente. Auch auf die Apostel, die großen Ordensgründer und besonders verehrte Heilige wird immer wieder verwiesen, wie auch auf theologische Tugenden und die Sakramente. Im vollendeten Zustand soll die Sagrada Familia insgesamt 18 Türme besitzen. Zwölf werden den Aposteln gewidmet. Je vier von ihnen überragen mit einer Höhe von 90 bis 112 Metern eine der drei Fassaden. Alle Türme, deren Form an den Krummstab der Bischöfe erinnern soll, besitzen lange senkrechte Schaften. Filigran gearbeitete farbenfrohe Spitzen, welche mit Tieren oder sakralen Symbolen und Sprüchen geschmückt sind, tragen ein kleines goldenes Kreuz mit dem Namen des jeweiligen Apostels. Einige der Türme sind sogar über schmale Steinbrücken miteinander verbunden. Vier weiter Türme sollen den Evangelisten gewidmet werden. Die zwei übrigen Türme werden Maria (125 Meter hoch) und Jesus Christus gewidmet.. Letzterer wird der Hauptturm der Basilika und soll gemäß den Planungen alle anderen überragen. Er soll sich etwa über der Vierung erheben und würde mit einer kalkulierten Höhe von 170 Metern den bislang höchsten Kirchturm der Welt (Ulmer Münster) um mehr als acht Meter überragen. Die Höhe ist so gewählt, dass die Kirche nicht höher als die sie umgebenden Berge Barcelona wird, um das Werk des Menschen nicht höher werden zu lassen, als das Werk Gottes.
Die Türme sind von innen genauso beeindruckend wie von außen. Zu ihrer Besteigung kann man die Treppen oder einen Aufzug benutzen. Im unteren Teil der Türme führt eine Wendeltreppe nach oben. Wenn man oben auf dem vierten Teil des Turmes angelangt ist, kann man von einem Turm zum anderen wechseln, wodurch eine Art Labyrinth in der Höhe entsteht. Leider was das zum Zeitpunkt unseres Besuches gerade nicht möglich.
Im oberen Teil sollen einmal Glocken aufgehängt werden. Im Inneren verlaufen mehrere übereinander liegende Galerien, von denen aus ein Teil der Gläubigen die Messe verfolgen wird.
Die Fassaden
Momentan besitzt die Sagrada Familia zwei prunkvolle Schaufassaden. Diese befinden sich an beiden Enden des Querhauses.
Geburtsfassade
Gegen Nord-Osten gerichtet liegt die Fassade der Geburt Christi oder die Weihnachtsfassade, welche größtenteils noch zu Lebzeiten Gaudis fertiggestellt wurde. Sie weist den klassischen Stil des katalanischen Architekten auf.
Die Geburtsfassade besteht aus drei Portalen, die die christlichen Tugenden – Hoffnung, Glaube, Liebe – symbolisieren. Die Fassade erzählt vom Leben Christi, aufgeteilt in verschiedene Abschnitte.
So zum Beispiel wird der Weg Marias und Josephs nach Bethlehem veranschaulicht, die Geburtenszene, die Anbetung der Hirten und Könige, sowie die Vorstellung
des jungen Jesus im Tempel. Weiteren Szenen sind Jesus bei der Arbeit als Zimmermann oder die Krönung Mariens. Das Mittelportal wird von dem Baum des Lebens, einer Zypresse, bekrönt. Der Architekt Gaudi hätte es bevorzugt, die der Geburt Christi gewidmete Fassade, so wie es die Tradition verlangt,
zum Sonnenuntergang hin auszurichten. Weil der Bau der Krypta aber bereits begonnen hatte, war das nicht mehr möglich. Gaudi erhöhte aber das Gewölbe und umgab sie mit einem Graben, so dass Licht und Luft direkt hineinströmen konnten. Die Krypta der Sagrada Familia wurde im Jahr 1891 fertiggestellt. Hier wurde 1926 Antoni Gaudi auch beigesetzt.
Passionsfassade
Die gegen Südwesten gerichtete sogenannte Passionsfassade, bzw. die Fassade des Leidensweges wurde nach Gaudis Tod richtig begonnen und 2002 fertiggestellt. Er selber sagte: „Wenn ich den Bau mit dieser Fassade
begonnen hätte, hätte man sich von diesem Werk distanziert“. Deshalb hatte er die Kirche auch nicht damit begonnen. Er wollte einen sehr dramatischen Eindruck erwecken. Das Portal gestaltete er während eine schweren Krankheit 1911. Die letzten Lebenswochen Jesu werden dargestellt.
Die Fassade verdeutlicht den Leidensweg Christ. So werden zum Beispiel der Kuss des Judas, die Geißelung und natürlich – im Mittelportal – die Kreuzigung dargestellt.
Diese Fassade unterscheidet sich von ihrem Gegenstück dahingehend, dass sie kaum Verzierungen enthält und mit klaren, geometrischen Linien und großen Figuren sehr übersichtlich aufgebaut ist.
Sie wird von sechs schrägen Säulen gestützt und hat drei Portale.
Josep Maria Subirach, der katalanische Maler und Bildhauer, begann 1988 mit den Skulpturen der Passionsfassade. Die Figuren Subirachs stießen nicht immer auf Wohlwollen, doch spiegeln diese klaren Linien und geometrischen Figuren das Leiden Christi besonders wieder.
Subirach arbeitet an Hand von noch erhaltenen Zeichnungen Gaudis, in denen der zwar skizziert hatte, was in welcher Aufstellung dargestellt werden sollte, aber das wie, also das genaue Aussehen wollte er den späteren Baumeistern und Stilen überlassen.
Man mutmaßt, dass er schon gezeichnet von den Schmerzen seiner Krankheit, besonders furchteinflößende Statuen auf schmuckloser Fassade wollte.
Subirach begann die Ausführung im Jahre 1989. Der Bildhauer zeigt auf drei Bildebenen die Geschichte des Leidenswegs vom Letzten Abendmahl bis hin zum Tode Jesu.
Es fehlt jetzt noch die Fassade der Seligkeit. Sie wird größer und prächtiger als die beiden anderen. Die Türme werden noch höher als die der anderen Fassaden. Gaudi wollte hier die letzten Ereignisse des Menschen darstellen: Den Tod, das Jüngste Gericht, die Hölle und die Seligkeit. Am Ende werden an dieser Fassade sieben Eingänge in die Kirche führen.
Gaudi war seiner Zeit auch darin voraus, dass er für seine Arbeiter, bzw. deren Kinder auf dem Gelände der Sagrada Familia eine Schule einrichtete, damit sie eine besonders gute Ausbildung bekamen.
Man könnte allerdings auch sagen, dadurch dass die Kinder versorgt waren, konnten die Väter besonders viel und lange arbeiten.
Obwohl Antoni Gaudi ursprünglich nur 15 Jahre für den Bau vorgesehen hatte, baut man mittlerweile bereits mehr als 125 Jahre an der Kirche.
So hat halt jede Stadt ihre schwierigen Bauten: Berlin den Flughafen, Stuttgart den Bahnhof, Hamburg die Philharmonie und Barcelona hat die Sagrada Familia. Dennoch wird letztere nach Beendigung wahrscheinlich viel schöner, als die drei anderen und vielleicht auch eher fertig als der Berliner Flughafen 😉
Seine letzte Ruhe fand Gaudi in der Krypta der Kirche, wo er 1926 mit Sondergenehmigung des Vatikans beerdigt werden durfte.
Die Bürger von Barcelona wollten es so und Antoni Gaudi hat das auch mindestens verdient!
Zum Abschluss die beiden schönsten Fotos, die wir in Barcelona geschossen haben.