Warum begann die Reformation eigentlich in Wittenberg?
Die Gegend um die heutige Lutherstadt Wittenberg wird urkundlich zwar bereits vor dem Jahre 1000 erwähnt, dennoch tauchte der Name Wittenberg erst im Jahr 1174 auf, als ein Graf Thiedrich von Wittburc genannt wird, der für den Bischof Balderam von Brandenburg und sein Kloster Leitzkau tätig war. Das Stadtrecht erhielt Wittenberg um 1293 von den Askaniern, einem deutschen Uradelsgeschlecht, das zum ältesten regierenden Hochadel zählte und besondere Bedeutung für die heutigen Bundesländer Niedersachsen, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt hatte. Die Erbschaftslinien teilten sich immer weiter auf, und für Wittenberg war dann die Linie Sachsen-Wittenberg zuständig, die durch Teilung im Jahre 1296 zum als Herzogtum Sachsen-Wittenberg wurde. Die Linie der Askanier starb in männlicher Linie mit Albrecht III. im Jahr 1422 aus und die sächsische Kurwürde ging an die Wettiner über.
Bis dahin hatte Sachsen-Wittenberg nur sehr geringe macht, war allerdings als Kurfürstentum mit hohem Rang ausgestattet, weshalb die Neubesetzung des Gebietes sehr begehrt war.
Kaiser Sigismund vergab es im Jahre 1423 an Den Wettiner Markgrafen Friedrich den Streitbaren von Meißen, der ihm in einem Kampf geholfen hatte. Lassen Sie mich jetzt die nächsten Jahre einmal so salopp ausdrücken, dass über mehrere Generationen das Kurfürstentum dann weiter vererbt wurde, ohne dass Wittenberg eine besondere Bedeutung erlangte. Wer da gern mehr in die Tiefe gehen möchte, wird sicherlich genug Literatur finden.
Nun sind wir da, wo ich hin wollte und die Verbindung Wittenberg – Luther – Reformation beginnen kann. Übrigens hatte der Ort zu Luthers Zeiten ca. 2000 Einwohner.
Nämlich bei Friedrich dem Weisen der von 1463-1525 lebte, der von 1486 bis zu seinem Tode Kurfürst von Sachsen war. Er war sehr gläubig, was sich in täglichem Messbesuch, Heiligenverehrung und Reliquienkult ausdrückte. Er hatte 1493 eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht und dabei den Grundstock an Reliquien für seine Sammlung, die später einmal 19000 Teile umfasste, mitgebracht. Wie er von sich selber sagte, war er regelrecht reliquiensüchtig. Reliquien waren in der Zeit eine Art Lebensversicherung genug getan zu haben, um dem „Jüngsten Gericht“ standzuhalten.
Die Kirche brauchte Geld und führte den Ablasshandel ein. Zuerst waren es nur Beichten, denen Bußstrafen folgten, die den Menschen einige Zeit im Fegefeuer ersparen sollten. Später gab es auch für Pilgerfahrten, Almosen, Geldzuwendungen beim Bau von Kirchen oder Teilnahme an Kreuzzügen ein Erlass der Strafe Gottes. Dann kam der käufliche Erwerb von Ablassbriefen hinzu und sogar der Kauf von Reliquien. Je größer das Vermögen eines Käufers war, desto teurer war auch der Ablassbrief. Also wie heute bei einem Gerichtsurteil die Tagessätze als Strafe. Dieser Ablasshandel ging sogar so weit, dass man für verstorbene Verwandte nachträglich Ablassbriefe kaufen konnte, und für sich selber sogar für Sünden, die man erst in der Zukunft begehen wollte. Ein bereuen von Sünden war also nicht mehr nötig, wichtig war nur die Geldeinnahme der Kirche.
Einem Sünder, der in einer besonders wichtigen Kirche gepredigt hatte, wurden 7000 Jahre Fegefeuer erlassen. Nun halten Sie sich fest, die 19000 Reliquien, die Friedrich der Weise erwarb, konnten einem Sünder angeblich 1902202 Jahre und 270 Tage Fegefeuer ersparen. Na, das ist doch schon was.
Allerdings waren die Reliquien auch teuer, weshalb Friedrich der Weise natürlich die Gelder seines Volkes für sich brauchte und nicht wollte, dass der Papst seine Untergebenen abzockte. Er verbot in Wittenberg den Verkauf der Ablassbriefe, weil dennoch seine Untertanen in andere Orte fuhren, um zu kaufen, hat er wahrscheinlich Luther unterstützt.
Schlosskirche
Eine Burg wurde erstmals 1187 erwähnt. Diese Burg soll gegenüber der heutigen Schlosskirche gestanden haben. In etwa dort wo heute die Information steht. Im Jahre 1340 wurde dann ein Schloss an der Stelle errichtet, wo es auch heute noch steht. Dabei entstand auch die erste Kapelle. Friedrich der Weise war es dann, der 1489 das Schloss abriss, um ein neues Wohnschloss zu errichten. Der Bau selber dauerte von 1490 bis 1525 und galt als prächtigstes Schloss der damaligen Zeit, der Frührenaissance.
Dabei wurde natürlich auch die Kirche erneuert. Sie wurde 1503 geweiht als katholische Schloss- und Stiftskirche „Allerheiligen“ geweiht.
Weil Friedrich der Weise zwar Kinder mit der unstandesgemäßen Anna Weller hatte, aber nie verheiratet war, übernahm sein Bruder Johann der Beständige die Kurwürde, als Friedrich 1525 starb.
1525 wurden die Messen abgeschafft und der evangelische Gottesdienst eingeführt. Heute wird die Schlosskirche für Gottesdienste, Taufen, Trauungen und Kirchenmusik genutzt.
Neben Martin Luther (1546) wurde sein Mitstreiter und Freund Philipp Melanchthon, „Lehrer Deutschlands“ (1560), dort begraben. Vor dem Altar sind die beiden Kurfürsten Friedrich der Weise (1525) und Johann der Beständige (1532) beigesetzt. Unter der Eingangshalle befindet sich die Gruft der askanischen Kurfürsten
1547 wurden die Helme im Schmalkaldischen Krieg abgetragen, um Kanonen auf den Türmen stationieren zu können.
1760 brannte Schloss und Kirche im Siebenjährigen Krieg bis auf die Grundmauern ab, die gesamte Innenausstattung war verloren, wie auch die hölzerne Thesentür. Nur das spätgotische Portal blieb erhalten. Nur notdürftig wiederhergestellt brannte die Kirche 1814 erneut ab, als es von Gegnern Napoleons beschossen wurde. 1815 baute es die preußische Militärbehörde nach dem Wiener Kongress zur Zitadelle aus, es wurde also zur Kaserne und damit wurden die letzten Überbleibsel aus der Entstehungsgeschichte beseitigt. Danach nutzte es ein Evangelisches Predigerseminar.
Weithin sichtbar ist der zylindrische, 88 Meter hohe Schlosskirchturm und markiert das westliche Ende der Altstadt.
Der Hauptaltar ist von Lucas Cranach d.Ä., es gab außerdem 19 Nebenaltäre. Die Glasfenster zeigen Bilder der dreizehn wichtigsten Reformatorenschüler Luthers und wurde 1983 zum 500sten Geburtstag Martin Luthers vom Lutherischen Weltbund in Auftrag gegeben.
Irritiert haben uns in der Kirche die „Wandvorhänge“. Es wirkte tatsächlich so, als ob an den Seitenwänden Vorhänge angebracht sind. Der Stoff liegt sogar in Faltern, mit Fransen am Saum unten. Man fühlt sich gleich wie im Wohnzimmer und möchte gerne schauen, was da abgehängt ist, was sich dahinter befindet.
Doch nach ein bisschen Zeit merkt man, dass dort gar kein echter Stoff hängt, sondern alles nur aufgemalt ist. Und das ist keine neumoderne Erfindung, sondern war bereits 1892 so gestaltet. Damit das immer gleich aussieht braucht man Schablonen. Früher malte man auf Karton und lackierte das hinterher. Heute arbeitet man mit Computer und fräst die Muster mit ca. 40 mal 50 Zentimeter aus einer Kunststoffplatte. Dann werden mehrere Platten nacheinander verwendet.
Schön sind auch die buntverglasten Fenster, die zum einen Abbildungen der biblischen Geschichte zeigen, zum anderen auf 8 Fenstern Städtewappen, die mit den Reformatoren und der evangelischen Geschichte zu tun haben.
Schaut man an die Decke, Heben sich Radleuchter von der geometrisch gestalteten Decke ab. Und obwohl es sie 1892 bei der Einweihung nicht gab, hat man nicht das Gefühl, es wären Fremdkörper. So alt diese Leuchter auch aussehen, sie sind mit LED bestückt.
Die Schlosskirche ist sehr aufwändig restauriert, dagegen ist das Schloss recht trist und unscheinbar. Viel ist aus der Zeit Friedrich der Weise heute nicht mehr zu erkennen.
Wir gehen jetzt weiter auf der historischen Meile. Uns fallen viele Emailleschilder (es sollen 100 Stück sein) an den Häusern auf, auf denen Namen und Jahrendaten berühmter Persönlichkeiten stehen, die in dem Haus einmal gewohnt oder gearbeitet haben. Eine schöne Geste und sie vermittelt dann auch noch alles wissenswerte zum Ort. Der Führer machte uns aufmerksam auf einen Mathematiker Michael Stifel, den Entdecker der Logarithmen, der damals sogar den Weltuntergang errechnet haben soll. Dafür saß er 1533 in Schutzhaft. Viele Bewohner hatten alles verschenkt, versoffen, Vorräte aufgegessen oder ihren Besitz zerstört, weil sie daran glaubten. Als der Weltuntergang nicht eintrat war man absurder Weise darüber nicht glücklich, sondern wollte den Mathematiker dafür verantwortlich machen. Unglaublich klingt allerdings, dass er auch das Stiefeltrinken erfunden haben soll, weil die Stadtbewohner nachdem der Weltuntergang fehlschlug, direkt aus ihren Stiefeln getrunken haben soll. Na wers glaubt. Doch nun kommen wir zu einem weiteren Prominenten Wittenbergs, nämlich zu
Lucas Cranach d. Ä.
1472 als Lucas Moller in Kronach geboren wurde er ein berühmter Maler. Erst später benennt er sich nach seiner Geburtsstadt Kronach (mittelhochdeutsch crana)um.
Kurfürst Friedrich der Weise holte ihn 1505 als Hofmaler an seinen Hof nach Wittenberg und zahlte ihm jährlich 100 Gulden. Viel Geld, bekam auch ein Professor an der Universität nicht mehr und ein Student musste mit 8 Gulden auskommen. Außerdem wurde jedes Werk zusätzlich vergütet und auch das Material bezahlt.
Er wusste knapp ein halbes Jahrhundert in Wittenberg gut zu nutzten, um geschickt reicher und wichtiger zu werden, als es ein normaler Hofmaler je hätte erreichen können. Er hatte nicht nur Erfolg mit seiner Malwerkstatt, in der er alle Kurfürsten und Reformatoren porträtierte, sondern entwarf auch Altarbilder. In der Stadtkirche ist z.B. das berühmte Altarbild von ihm, das 1547 aufgestellt wurde. Auch viele andere Bilder und Bronzeskulpturen der Kirche sind von Lucas Cranach d. A.. Aber er schmückte auch Schlösser aus, bemalte Fahnen und Möbel, ja entwarf sogar Kleidung für Feste. Heute würde man sagen ein workaholik, rast- und ruhelos.
Aber erst einmal von Anfang an:
Er lebte zuerst natürlich im Schloss in einer Malerstube. Erst 1512 konnte er die Häuser am Markt 3 und 4 kaufen. Dort zog er zur selben Zeit mit seiner Frau Barbara Brengebier, Tochter des Gothaer Bürgermeisters ein, wo auch seine Kinder geboren werden.
Er betrieb dort eine der erfolgreichsten Werkstätten seiner Zeit. Er verkaufte das Anwesen ca. 1517/18. Im Jahre 1522 kaufte er allerdings einen Teil, die Nr. 4, zurück und gründete dort mit Christian Döring eine Druckerei. Hier wurde, nachdem er 1524 das Verlegerprivileg bekam, auch die Bibelübersetzung Martin Luthers vervielfältigt. Das war für beide wie man heute sagen würde ein „Win-Win-Situation“. Luther hätte sicherlich nicht so große Verbreitung gefunden, ohne die Druckerei von Lucas Cranach. Und der hat ein super Geschäft machen können.
Das Gebäude soll auch das Geburtshaus Lucas Cranach des Jüngeren sein. Der führte später den Werkstattbetrieb seines Vaters erfolgreich weiter. Unser Fremdenführer erzählte uns von einer Ausstellung beider Cranachs, die vor kurzem stattfand. Die Bilder mit ähnlichen Motiven wurden nebeneinander gehängt und viele Fachleute waren der Meinung, der jüngere Cranach sei teilweise sogar besser als sein Vater. Das Gebäude wurde über die Jahrhunderte immer wieder „aufgehübscht“. Dadurch kann über irgendwelche Raumaufteilung des Ursprungs nur gerätselt werden.
Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands begann man 1995 mit umfangreichen Restaurierungsarbeiten. Abschluss der Sanierung war in 2009, seitdem dient das Vorderhaus auch wieder der Kunst, ist dort doch die Jugendkunstschule eingezogen.
Ich schrieb ja bereits vom Verkauf der Gebäude Markt 3+4 im Jahr 1517/18. Zeitgleich erwarb er für 2000 Gulden den größten Wittenberger Hof in der Schlossstraße 1, das repräsentativste Anwesen Wittenbergs. Dort wohnte er dann und konnte seine Malwerkstatt vergrößern.
1519 wurde er Ratsherr und nachdem er 1520 das Apothekenprivileg erhielt, handelte er dort auch mit Farben, Papier, Gewürzen, Zucker, Wachs und Sandstein. Wenn man die vielen Sandsteingebäude in Wittenberg sieht, muss das lukrativ gewesen sein. Das Apothekenprivileg erlaubte nämlich den Verkauf von Luxusgütern jeglicher Art.
Wenn man bedenkt, dass er als kleiner Hofmaler geholt wurde, ist das doch eine ganz außergewöhnliche Entwicklung.1523 nahm er sogar für einige Monate das geflüchtete dänische Königspaar Christian II. und Isabella auf, die wegen Luther in die Stadt kamen. Im Jahre 1528 soll Cranach nach dem kurfürstlichen Kanzler, reichster Bürger der Stadt gewesen sein.
Sein Aufstieg ging aber weiter, war er doch 1537,1540 und 1543 drei Mal gewählter Bürgermeister. 1540 baute er das Anwesen um, indem er Wohnraum vorn und in eine Seite die Buchdruckerei integrierte. Quer war dann die Malwerkstatt. Im Internet schreibt man die Malerakademie hätte 84 heizbare Zimmer und 16 Küchen gehabt. Viele Umbauten, Erneuerungen, Brandschäden (1871) führten zu der Aufteilung, die heute zu sehen ist.
Die DDR ließen die Gebäude so ziemlich verfallen, wie auch das Bild zeigt. In den 1970er Jahren stand das Anwesen knapp vor einem Abriss. Ab 1992 wurde auch hier erst nach der Wiedervereinigung restauriert und die Gebäude in den heutigen Stand versetzt. Dank dem Zusammenspiel der Cranachstiftung, des Landes Sachsen Anhalt und des Bundes konnten die Gebäude erhalten werden. Man fand während der Arbeiten Renaissancedecken im Vorderhaus, die aufgrund von Halbedelsteinfarbpigmenten auf einen reichen Bauherren schließen lässt, wahrscheinlich Cranach.
Noch einmal zurück zu Lucas Cranach und seinem Ende
Lucas Cranach der Ältere hielt dem letzten Wittenburger Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmütigen die Treue und ging 1550 erst mit diesem in die Gefangenschaft nach Augsburg und dann 1552 mit in dessen neue Residenz nach Weimar. Dort starb er am 16.10.1553.
Resümierend bleibt zu sagen, dass Lucas Cranach der Ältere der erfolgreichste deutsche Maler seiner Zeit war und einer der erfolgreichsten Unternehmer in Sachsen. Man schätzt auf 5000 Werke aus seiner Werkstatt. Aber das einmal außer acht, scheint er ein sehr guter Freund von Martin Luther gewesen zu sein. Er war nicht nur Trauzeuge bei Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora, die vorher sogar bei ihm wohnte, sondern Cranach und Luther waren gegenseitig Paten ihrer Kinder. Cranach hatte 5, Luther 6 Kinder. Ich glaube, gerade zu der Zeit hatte das noch mehr Bedeutung als heute.
Zum anderen hatten Luthers Schriften und Flugblätter durch Cranachs Druckwerkstatt eine Verbreitung, die anders wohl kaum zu erreichen gewesen wäre. Man sieht: Manchmal ist der Zufall zur selben Zeit am selben Ort zu sein doch grandios.
Eine Geschichte noch, die ich las und die die enge Bindung zwischen Cranach und Luther zeigen. Eigentlich sollte Hans, Cranachs ältester Sohn die Werkstatt übernehmen, doch der kommt 1537 auf einer Bildungsreise in Italien um. Darauf tröstete ihn Luther mit den Worten:
„Lieber Meister Luca, haltet stille! Gott will euren Willen brechen, denn er greift gern einen da an, da es ihm am wehesten tut …“.
Marktplatz mit Rathaus, Denkmälern und der Stadtkirche im Hintergrund
Pfusch am Bau gab es auch früher schon. Zu Luthers Zeiten wurde zwischen 1521 und 1535 das Rathaus gebaut, das allerdings bereits 1563 schon wieder sehr marode war und ein Teil einfiel. 1570 beginnt aber erst der Wiederaufbau, weil der Fürst zu dem Zeitpunkt erst das Geld bereitstellte. In den 3 Jahren danach entstand dieser Renaissancebau, mit der Sünderglocke und dem üppigen Eingangsportal. Der Bau war mit der Verwaltung und Stadtschreiberei in der ersten Etage nicht nur Rathaus, sondern beherbergte unten auch Händler und Handwerker, die ihre Waren verkauften. Ein Rathaus diente früher ja nicht nur der Verwaltung, sondern auch der Zusammenkunft und Einkehr. Somit ist klar, dass auch eine Ratsschenke mit einzog. Auch die Gerichtsbarkeit war in dem Gebäude beheimatet, und somit im Keller auch Gefängnis und Folterkammer. Hinrichtungen und Rechtssprüche fanden bis 1834 vor dem Rathausportal statt. Einer Kindsmörderin wurde sogar die Hand abgeschlagen.
Wenn man genau hinschaut kann man im Pflaster noch vier quadratische Steine entdecken, wo das Schaffott gestanden haben soll. Nach Hinrichtungen wurde immer die Sünderglocke geläutet, damit sich die Nachricht verbreitete.
Gegen 1760 war das Rathaus ein Lazarett und musst danach wieder instandgesetzt werden.
Heute ist das Rathaus weit weniger gefährlich, befindet sich dort doch nur der Stadtrat, das Bürgermeisterzimmer und Sitzungszimmer. Die Verwaltung ist im Jahre 2000 in einen anderen Bau umgezogen. Was heißt weniger gefährlich, natürlich darf man das Trauzimmer darf man natürlich nicht vergessen. Aber gefoltert wird sonst im Alten Rathaus keiner mehr.
Auf dem Marktplatz stehen zwei Denkmäler und zwar für Martin Luther und für Philipp Melanchton.
Lutherdenkmal
Das Denkmal mit Luther im Talar und dem Alten Testament wurde von Johann Gottfried Schadow im Jahre 1805 entworfen. König Friedrich Wilhelm III. wünschte die Aufstellung in Wittenberg. Somit wurde dort 1817 der Grundstein gelegt und 1821 offiziell enthüllt. Der Sockel und der Baldachin wurden von Karl Friedrich Schinkel entworfen. Damit erledigte sich das Problem, dass ein Nichtadeliger nicht öffentlich dargestellt werden sollte.
Bis dato gab es freie Standbilder zur für Fürsten und Feldherren, doch mit dem Baldachin konnte man das Denkmal so deuten, dass es sich in einem Raum befindet und somit freie Standbilder weiterhin Adligen vorbehalten waren.
Sockelinschriften:
- Nordseite: Von dem mannsfeldischen Verein für/Luthers Denkmal durch gesammelte/Beiträge gegründet und durch König/Friedrich Wilhelm III errichtet
- Ostseite: Ist’s Gottes Werk, so wird’s bestehn, Ist’s Menschenwerk, wird’s untergehn
- Südseite: Glaubet an das Evangelium
- Westseite: Ein‘ feste Burg ist unser Gott
An dieser Stelle möchten Sie wahrscheinlich wissen, warum ich über die Zeit und die Stadt der Reformation schreibe und bisher noch nicht so richtig auf Luther eingegangen bin. Das ist einfach zu umfangreich für diese Seite. Aber schauen Sie doch einfach mal auf diesen Link, da sollten Sie alles Interessante finden.
Melanchthons Denkmal
1858 entwarf Friedrich Drake das Denkmal zu Ehren Philipp Melanchthon. Grundsteinlegung war 1860 und 1865 die Einweihung. Bei dem Baldachin richtete man sich nach dem von Martin Luther. Melanchthon hat in der rechten Hand eine Rolle des Augsburgischen Glaubensbekenntnis (Confessio Augustana).
Das besteht aus zwei Teilen:
In Artikel 1 bis 21 versuchen die Reformatoren zu beweisen, dass ihr Glauben und ihre Lehre im Einklang mit Schrift und Tradition sind.
In Artikel 22 bis 28 hingegen wird aufgezeigt, welche Missstände es ihrer Meinung nach in der katholischen Kirche gibt, und durch welche Änderungen man diese beheben will.
Inschrift auf der Westseite des Sockels des Melanchthon-Denkmals in Wittenberg:
Sei[d] fleißig zu halten die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens. Ep[h]es. 4.3.
Und auf der Vorderseite:
Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht. Psalm 119,46
Beide wurden von 2010-13 vollständig, incl. der Baldachine und Sockel abgebaut und restauriert. Das war keine ganz günstige Aktion, kostete sie doch insgesamt 1.1 Mio. €.
Doch nun gehen wir über den Marktplatz und hinter die Häuserreihe. Als erstes treffen wir Martin Luther. Spaß beiseite, dafür ist er wohl zu freundlich, soll Luther doch manchmal sehr streng und unwirsch gewesen sein. Es ist wohl ein Fremdenführer, der sich stilecht kleidet.
Stadtkirche St. Marien zu Wittenberg
Der Bau der Pfarrkirche St. Marien wurde mit der Chorhalle 1280 begonnen, 1400 wurde sie im spätgotischen Stil erweitert und im Jahre 1439 geweiht. Ihr heutiges Aussehen hatte sie in etwas 1470, die Turmspitzen wurden 1547 entfernt, um im Schmalkaldischen Krieg Kanonen darauf stellen zu können. Die heutigen Turmspitzen erhielt sie 1558. Zu der Zeit wurde auch eine Dienstwohnung für den Türmer geschaffen. Der war nötig, um die Stadt warnen zu können, wenn irgendwo Feuer ausbrach. Der Türmer musste mehrmals nachts Zeichen geben, damit man kontrollieren konnte, ob er wach ist. Der Stadtführer erläuterte, dass dann in die Richtung des Brandes eine Fahne gehängt wurde, damit die zur Löschung ausrückenden sofort wussten in welcher Richtung das Feuer ist. Das Amt des Türmers gab es bis 1921, allerdings durfte die Witwe des letzten Türmers noch bis 1945 dort leben. Die Wohnung hatte 4 ½ Zimmer mit Küche und war nur über 192 Stufen zu erreichen. Wie der Stadtführer sagte, war es für Fremde, die nach Wittenberg wichtig zuerst den Türmer zu besuchen. Es galt der Satz, wer den Türmer nicht besucht hat, der ist gar nicht in Wittenberg gewesen. Es wurde dann immer mit einem Eimer der Schlüssel herabgelassen.
Die steinerne Brücke zwischen den Türmen erhielt die Kirche dann bei Reparaturarbeiten in 1655/56. 1928 erfolgte eine Restaurierung nach der das Innere der Kirche wieder auf das Aussehen zur Reformationszeit zurückgeführt wurde.
Bildlich ist die Kirche leider als Ganzes schlecht zu erfassen, weil sie ziemlich beengt hinter Marktplatz und Rathaus steht.
Sie ist die „Mutterkirche der Reformation“. Hier wirkten die wichtigen Personen der Reformation zusammen. Johannes Bugenhagen war hier ab 1523 als erster evangelischer Pfarrer tätig und Lucas Cranach der Ältere und sein Sohn sind verantwortliche für den Reformationsaltar und diverse Bilder. Die Stadtkirche St. Marien war die Kirche, wo Martin Luther seit 1514 mehrmals wöchentlich predigte, teilweise 3-4 Mal am Tag und als Seelsorger tätig war. Seine Predigten waren ihm sehr wichtig, wollte er doch von allen, auch den weniger gebildeten verstanden werden und sprach deshalb besonders deutlich und langsam. Außerdem wurden die bisher in Latein gehaltenen Messen mit der Revolution in deutscher Sprache gelesen. Damit wurde endlich die Botschaft für alle verständlich. Hier war auch der Ort wo der „dem Volk aufs Maul“ schaute und somit die Einblicke fand, um seine Bibelübersetzungen volksnah auszuführen. Durch Fragen seiner Gemeinde kam er hier auch 1517 erstmals in Kontakt mit dem Ablasshandel, der von Johannes Tetzel im Auftrag des Papstes durchgeführt wurde. Dieser durfte zwar das Kurfürstentum Sachsen nicht betreten, verkaufte aber in der Umgebung auch an Wittenberger seine Ablassbriefe. Fragen seiner Gemeindemitglieder nahm Luther zum Anlass Stellung zu beziehen und dann am 31.10.1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu nageln.
Luthers Kanzel ist übrigens noch in Teilen erhalten und steht als Leihgabe im Lutherhaus. .
Nachdem Luther sich ab Mai 1521 nach dem Reichstag von Worms auf der Wartburg verstecken musste, kam es zu Unruhen, bei denen Studenten in der Pfarrkirche Messen störten und Mönche mit Dreck und Steinen bewarfen und sie verspotteten. Die Unruhen nahm Luther als Begründung die Wartburg zu verlassen und nutzte seine Predigten in der Stadtpfarrkirche um sich von radikalen Reformkräften zu distanzieren.
1523 feierte Luther in der Pfarrkirche das Abendmahl „in beiderlei Gestalt“, also mit Wein und Brot, was in der katholischen Kirche unüblich war. Am 27.6.1525 wurden Luther und Katharina von Bora von Johannes Bugenhagen in St. Marien kirchlich getraut. Dieser war seit 1523 ja vom Stadtrat eingesetzter erster evangelischer Pfarrer St. Mariens. Bugenhagen war für die Reformation wichtig, weil er die Einführung in Norddeutschland maßgeblich vorantrieb. Z.B. Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, aber auch Dänemark 1537. Ab 1535 bildete er in der Pfarrkirche zusammen mit Luther evangelische Pfarrer aus.
Doch nach der Bedeutung der Stadtpfarrkirche für die Reformation nun zur Ausstattung der Kirche.
Auffällig ist erst einmal das Marienportal. Im Feld über der Tür (auch Tympanon genannt) fällt das Relief auf. Es soll Maria mit dem Jesuskind und den Aposteln Petrus und Paulus in der oberen Reihe darstellen. In der unteren Reihe dann verschiedene Nothelfer. Dorothea mit dem Körbchen, (Schutzpatronin der Blumenhändler, Bierbrauer, Bergleute, Bräute, Wöchnerinnen und der Neuvermählten), Apostel Johannes mit dem Kelch (Lieblingsjünger Jesu), König Sigismund mit Reichsapfel und Zepter, Nikolaus mit Bischofsstab und Katharina mit Rad und Schwert (Beschützerin der Mädchen, Jungfrauen und Ehefrauen)
Kommt man dann in die Kirche zieht einen der Reformationsaltar im Mittelpunkt der Kirche magisch an. Er wurde geplant von Lucas Cranach d. Ä. und dann ausgeführt von seinem Sohn. 1547 erfolgte die Weihung, also nach Luthers Tod. Angeblich genau an dem Tag, als Kaiser Karl V. bei Mühlberg das Heer der Protestanten vernichtend schlug.
Das war übrigens die Schlacht, die der Landesvater Luthers Johann Friedrich der Großmütige für die neue protestantische Lehre führte und deshalb die Kurfürstenwürde verlor. Er ging dann in Gefangenschaft, wobei ihn Lucas Cranach d. Ä. begleitete. Diesen Altar am Tag der Krise aufstellen, konnte auch bedeuten, dass man den Protestanten etwas anbieten wollte, das ihnen halt gibt in dieser schwierigen Lage.
Beim Altar wurden also die schon bekannten wichtigen Personen Wittenbergs von Cranach dargestellt. Die Gläubigen versammeln sich in der Kirche um die Predigt des Evangeliums zu hören und die Sakramente zu empfangen.
Die Universität – Leucorea
Gegründet wurde sie im Jahre 1502 von Friedrich dem Weisen. Der Name Leucorea ist eine Anlehnung an Wittenberg. Die Stadt heißt übersetzt „weißer Berg“ und das Wort „leukos“ kann man ebenso mit weiß übersetzen.
Angefangen hat es mit 416 Studenten aber bereits zwischen 1530 und 1620 war sie die meistbesuchte deutsche Universität. Und das war wohl auch ein Verdienst von Martin Luther, der ab 1508 Professor für Theologie war und dann 1517 seine Thesen anschlug und die Reformation einläutete. Er lockte die Studenten an, wie das Licht die Mücken. Zudem wurde im Jahre 1518 auch noch Philipp Melanchthon zum Professor berufen. Er wurde schnell zum Freund und Vertrauten Luthers und beide brachten zusammen die Reformation und den Humanismus auf den Weg. Erst 1694 erwuchs in Halle eine Konkurrenzuniversität, die dann Wittenberg den Rang ablief, zur Reformuniversität wurde und zur höchstfrequentierten im deutschsprachigen Raum.
1815 verlegte man dann die Leucorea nach Halle und gründete die Uni Halle-Wittenberg, schloss aber die Wittenberger Uni. Erst in den 1990er Jahren wollte man Traditionen pflegen und eröffnete 1994 die Leucorea als Stiftung wieder. Somit gibt es wieder akademisches Leben in Wittenberg, wenn auch in engster Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität in Halle. In Wittenberg sind nun verschiedene Einrichtungen die Forschungen genauso wie Veranstaltungen dienen.
Philip Melanchthon
Obwohl man bei Reformation immer ausschließlich an Martin Luther denkt, wäre sie nicht möglich gewesen ohne Johannes Bugenhagen und natürlich Philipp Melanchthon. Ich habe ihn bereits in den letzten Zeilen erwähnt, hier noch einmal ein wenig ausführlicher. Er kam 1497 als Philipp Schwarzerdt auf die Welt. Er lernte sehr früh bereits Latein. Als 1507 sein Großvater und sein Vater kurz hintereinander starb, kam er nach Pforzheim ins Haus eines Reuchlin. Der schenkte ihm ein Buch mit griechischer Grammatik und schrieb Philipp eine Widmung ins Buch. Den Namen Philipp Schwartzerdt übersetzte er ins Griechische, dabei kam Melanchthon heraus. Als 12-jähriger besuchte er die Uni Heidelberg, wo er 1511 den Abschluss machte. Heute würde man ihn wohl Bachelor nennen. Bereits mit 17 Jahren, wo andere heute noch an der Uni sind, schloss Melanchthon 1514 mit dem Magistertitel ab. Erst danach interessierte er sich für Theologie. Er war als er 1518 seine Lehrtätigkeit in Wittenberg aufnahm, nicht die erste Wahl. Doch als er drei Tage später seine Antrittsrede hielt und dort eine nötige Studienreform forderte schwärmte selbst Luther von ihm.
Ein Jahr später half Luther ihm einen theologischen Abschluss zu machen, nach dem er auch an der theologischen Fakultät lehren durfte. Allerdings regte er Luther auch zu dessen Bibelübersetzung an, es war also ein geben und nehmen.
Er wohnte in einem sehr bruchfälligen Haus und man munkelte, er wolle wegziehen. Luther selber, von dem man sagte, dass er das Stroh in seinem Bett seit Jahren nicht gewechselt hat, erschrak bei einem Besuch bei Melanchthon. Eine so verwahrloste Wohnungssituation wollte er nicht akzeptieren und ihn auch zum Bleiben bewegen. Er soll gesagt haben: „Der verlottert uns, der ist 21, Professor für Griechisch, nebenbei noch Hebräischprofessor, er lernt nebenbei Theologie und achtet überhaupt nicht auf sein Äußeres. (Heute würde man sagen workaholic) Wir müssen ihn dringend retten. Er ist sowieso ein Hänfling, nicht so stark an Statur, wir müssen dem erst einmal eine Frau verschaffen.“
Und das tat er auch. Er nötigte Melanchthon 1520 die Bürgerstochter Katharina Krapp zu heiraten. Die beiden hatten vier Kinder. An dieser Stelle ein Satz von Melanchthon, der wirklich stimmen soll. So sagte er seinem Nachwuchs: „Pinkelt nicht ins Wohnzimmer, wenn Besuch da ist. Ansonsten ist es gut fürs Dielenholz.“ Nachahmung ist heute natürlich nicht empfohlen, denn unsere heutigen Dielen oder das Parkett sind nicht mehr rohes, sondern behandeltes Holz. Das verzeiht solche Eskapaden nicht.
Luther sprach außerdem mit dem Kurfürsten und der Universität und beide gaben die Mittel, um 1535/36 das heute unter
Melanchthonhaus
bekannte Gebäude in der Collgienstraße zu bauen. Heute ist es ein architektonisches Kleinod und eines der schönsten Bürgerhäuser der Stadt Wittenburg. Dort und im erst 1996 gebauten Nachbarhaus findet heute eine Dauerausstellung zu Melanchthon statt. Überhaupt blieb Melanchthon Luther auch nach dessen Tode im Februar 1546 verbunden. Er hielt die Trauerrede auf Luther und begleitete sogar Katharina von Bora (Luthers Frau), als sie nach Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges 1547 aus Wittenberg fliehen musste. Er war es auch, der nach Luthers Tod die Reformationsbewegung weiterführte.
Nach seinem Tode 1560 wurde er neben dem Grab Luthers beerdigt.
An dieser Stelle noch eine kleine Anekdote, die uns der Stadtführer erzählte:
Melanchthon versuchte die Verlobung im August 1520 möglichst geheim zu halten. Einem Freund (Dominikus Schleupner) schrieb der dann die traurigste Einladung zu seiner Hochzeitsfeier, die im November 1520 stattfinden sollte, die je geschrieben wurde. Er lud ein zum „Tag meiner Trübsal“. Allerdings schrieb er in griechisch, so dass der Inhalt der Einladung nicht von jedem gelesen werden konnte. Doch so schlimm muss es für ihn dann doch nicht gewesen sein, denn einige Zeit später schrieb er dem gleichen Freund: „Sie stört nicht.“
Es waren halt andere Zeiten.
Dennoch hatte er in seinen letzten Jahren sehr um seine Frau getrauert, die im Oktober 1557 nach langer Krankheit verstarb, so kann man es jedenfalls seinen Briefen entnehmen.
Eigentlich hat Melanchthon die Anfänge eines Gymnasiums geschaffen. Seine Ideale waren eine Betreuung von Studienanfängern, Ausbildung rhetorischer Fähigkeiten und dann Qualität statt Quantität beim Erlernen des Lernstoffs.
Man ehrte ihn sogar 1529 als „Praeceptor Germaniae“, übersetzt „Lehrer Deutschlands“. Ein Titel, den er für eine Neuorganisation des Schul- und Universitätswesens bekam.
Er war unentbehrlich an der Uni, schrieb jede Menge Bücher und war wie unser Stadtführer sagte ein „workaholic“. Das kann man wohl auch daran sehen, so erzählte er uns, dass nach seinem Tode 1560 ihn 4 Professoren an der Uni ersetzen mussten.
Wie das so ist, ein Tag ist doch immer zu kurz, um alles zu sehen, was es an historischer Stätte zu sehen gibt. In der Hoffnung, Sie bisher nicht gelangweilt zu haben, möchte ich diesen Tag zum Ende bringen. Unsere Führung endete mit dem
Lutherhaus
das ganz in der Nähe des Melanchthonhauses gelegen ist. Nun würde natürlich zuerst die Geschichte Luthers anstehen, doch die finden Sie auf folgendem Link. So möchte ich nur auf das Haus selber eingehen und auf Dinge rund um Luther, die ich in der Schilderung seiner Person noch nicht genannt habe. Falls ich mich dann doch wiederholen sollte, vergeben Sie mir.
Auf unserer Führung kamen wir zum Augusteum, in dem sich seit 2012 das evangeliche Predigerseminar befindet. Durch ein Eingangsportal kann man in den Innenhof gehen. Früher war es der botanische Garten der Universität, heute kommt man direkt auf das Lutherhaus zu, also das ehemalige Wohnhaus Martin Luthers, in dem heute eine Museum der Reformationszeit einquartiert ist. Augustinermönche erhielten 1503 das Grundstück zugewiesen. Sie errichteten dort eine Bildungsstätte, bzw. ein Schlafhaus für Augustinermönche, die an der Uni ihr Ordenssstudium begannen. Eigentlich sollte es eine große Klosteranlage werden, mit einer Kirche an der nördlichen Seite. Gebaut wurde dann nur das, was man heute als Lutherhaus sieht. In ihm befanden sich Versammlungs- und Arbeitsräume der Mönche, der Speisessaal, Küche und Schlafsaal.
Bekannt ist es auch als das „Schwarze Kloster“. Martin Luther wohnte dort 1507, nachdem er im Erfurter Augustinerkloster seine Priesterweihe erhielt und danach dem soeben neu gegründeten Wittenberger Konvent zugewiesen wurde.
Nachdem die Reformation ihren Lauf genommen hatte, bekam er das mittlerweile (seit 1521) auch wegen der Reformation verwaiste Kloster, im Jahre 1524 für sich und seine Familie vom Kurfürsten zugewiesen, im Jahr 1532 offiziell geschenkt.
1525 war auch das Jahr, wo Luther und Katharina v. Bora, die später die Lutherin genannt wurde, heirateten. Sie wurden im Schwarzen Kloster von Johannes Bugenhagen getraut.
Luther musste ja auch von etwas leben und da war es gut, dass er vom Kurfürsten nicht nur von der üblichen Steuerlast befreit wurde, sondern auch das Recht erhielt Bier zu brauen und Vieh zu halten. Die Familie Luther war schon fast ein Familienunternehmen, zusammengehalten von seiner Frau Käthe, die Luther wegen ihrer resoluten Art auch Herr Käthe nannte. Sie führte mit Hingabe eine Studentenherberge und regelte auch alles andere, was fürs Überleben wichtig war. die Vieh- und Fischzucht, das Bierbrauen, Weinkeltern und die Bewirtschaftung der zahlreichen Ländereien.Luther hat in seinem Testament von 1542 geschrieben: „Ich habe eine wunderliche Haushaltung, ich verzehre mehr als ich einnehme.“
Nach seiner Rechnung bekam er jährlich vom Fürsten Johann dem Beständigen und von Freunden und Gönnern 300 Gulden, gab aber doppelt so viel aus. Da war es wohl ein Glück, dass seine Frau so geschäftstüchtig war. Schließlich gehörte die Luthers 1542 zu den reichsten Wittenbergern. Zudem bekam Sie auch noch sechs Kinder, drei Töchter und drei Söhne.
Dazu ist noch zu erwähnen, dass eine Frau in der Zeit gar nicht rechtsfähig war und für alles die Unterschrift Luther benötigte.
Heute wird immer wieder von den „Tischgesprächen“ geschrieben, die in der zwischen 1535 und 1538 entstandenen Lutherstube stattfanden. Was das war??
Zur Essenszeit im Hause Luther versammelten sich alle, die im Haus wohnten oder zu Gast waren um seinen Tisch, also nicht nur Familie wir Frau und Kinder, sondern auch Nichten, andere Verwandte, Studenten, Freunde, Reisende und Schüler, halt alles was gerade in der Nähe weilte. Teilweise waren das bis zu 40 Personen.
Als Mönch war Luther ja eigentlich gewohnt, bei Tisch zu schweigen. Hier war es aber völlig anders. In gelöster Stimmung war es sogar Martin Luther, der beim Essen ein lebhaftes Gespräch einleitete. Dabei gab es keine Tabus, alles was vorgefallen war konnte besprochen werden. Es gab meist lebhafte Diskussionen, aber auch schon einmal längere Reden des Reformators. Die Inhalte dieser Gespräche wurden von vielen Gästen als so wichtig empfunden, dass häufig Stichworte, später ganze Inhalte mitgeschrieben wurden, um sich später an das vom verehrten Professor gesagte auch ja erinnern zu können. Vom Zwickauer Pfarrer Konrad Cordatus, der ab 1531 längere Zeit Logiergast war sind viele dieser Gespräche überliefert. Er hatte den Mut während des Essens systematisch mitzuschreiben. Später notierte jeder, was ihm wichtig war. Es wurden später sowohl Stichpunktnotizen, als auch volllständige Niederschriften, ja sogar Zusammenfassungen der Gespräche in Latein gefunden. Heutzutage undenkbar. Der Sprecher würde glauben, abgehört und vielleicht falsch wiedergegeben zu werden. Noch schlimmer, für Gesagtes zur Rechenschaft gezogen zu werden oder der Datenschutz würde Gründe finden, warum diese Mitschriften verfassungswidrig seien.
Martin Luther war da anders, er duldete die Mitschriften nicht nur, sondern motivierte seine Gäste sogar das zu tun. Ob er wohl gedacht hat, dass solche recht intimen Gespräche noch nach Jahrhunderten nachgelesen werden? Wohl kaum. Es war halt eine andere Welt, ohne Internet und angeblicher „Lügenpresse“. Auf jeden Fall hat man für, im Zeitraum von 1531 bis zu Luthers Tod im Jahre 1546, stattgefundene Gespräche viele schriftliche Nachweise und Veröffentlichungen.
Martin Luther beklagte die erstaunliche Stumpfheit und Undankbarkeit der Menschen, welche die Gaben und großen Wohltaten Gottes so geringschätzen. Ehe das Neue Testament übersetzt war, wollte es jeder gern haben und lesen. Nachdem es dann übersetzt war, hielt das nur vier Wochen an, dann verlangten sie Mose. Als der übersetzt war, lasen sie ihn nur vier Wochen lang. Dann forderten sie dringend den Psalter; als der übersetzt war, erwarteten sie anderes. So wird`s auch mit Jesus Sirach gehen, auf dessen Übersetzung wir viel Mühe aufgewandt haben. Alles dauert immer nur vier Wochen, danach wird etwas Neues gesucht. Dieses Verlangen nach immer Neuem ist für das Volk die Mutter aller Irrtümer.
[ Martin Luther, Tischreden, Reclam-Verlag, TZ 546, Seite 220 ]
1546 starb Luther. Anders als üblich vererbte er all sein Vermögen seiner Frau. Die geriet dennoch in eine wirtschaftliche Notlage, auch, weil sie eigenverantwortlich nur weiterleben und ihr Studenteninternat betreiben kann, wenn für sie und die Kinder Vormünder bestimmt werden.
Eine absolut blöde Regelung. Aber einige Adlige halfen ihr, so dass sie sich wirtschaftlich erholen konnte. 1552 floh sie vor der Pest und wegen Missernten aus Wittenberg nach Torgau, ihr fehlte einfach die Kraft wie Jahre zuvor ihr Wohnhaus während der Seuche zu einem Krankenhaus umzufunktionieren. Dort verstarb Sie am 20. Dezember 1552 an einem Beckenbruch, den sie sich zuzog, als die Pferde der Kutsche auf der Flucht scheuten.
Luthers Erben verkauften das Gebäude 1564 für 3700 Gulden an die Universität. Obwohl immer wieder umgebaut und die Nutzung verändert wurde, blieb die Lutherstube unbewohnt und unverändert. 1761-1813 war das gesamte Gebäude sogar ein Lazarett. 1815, die Wittenberger Uni war gerade aufgelöst, erhielt das neu gegründete Königliche Predigerseminar, das sich im Vorderhaus, also dem Augusteum befand, das leerstehende Haus. Allerdings hatten die gar keine Nutzungsmöglichkeit und richtete 1834 die Luther-Armen-Freischule dort ein. Die vielen Nutzungswechsel und Leerstände hatten natürlich keine positiven Auswirkungen auf das Gebäude, weshalb es 1853-1856 neu wieder aufgebaut wurde, um den traurigen Zustand zu beseitigen. 1877-1883 wurde dann das reformationsgeschichtliche Museum im Lutherhaus eingerichtet, das es heute noch gibt. 2004 fand man noch ein altes Gewölbe und legte es frei.
Zu guter Letzt vielleicht noch einen kleinen Witz, in dem auch Luther erwähnt wird, und den ich bei Recherchen zu dieser Seite fand:
Ein passionierter Sammler alter Bibeln trifft einen Freund, der erzählt, er hätte gerade eine alte Bibel weggeworfen.
„Irgend so eine Guten…“, meint er.
„Doch nicht etwa eine alte Gutenberg“, meint der Bibelsammler entsetzt, „so eine Bibel kostete bei einer Auktion drei Millionen Dollar!“
„Dann bin ich ja beruhigt,“ entgegnet der Freund des Bibelsammlers, „meine war keinen Cent wert. Irgendein ‚Martin Luther‘ hat nämlich die Seitenränder mit seinen Bemerkungen vollgekritzelt…“